„Broadway Therapy“: Im Wirrwarr der haarsträubenden Zufälle

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Bogdanovich legt mit „Broadway Therapy“ eine beschwingte Screwball-Komödie vor. Hier ist jeder mit jedem verbandelt, um Wahrhaftigkeit geht es weniger als um die beflügelnde Wirkung unglaublicher Filmgeschichten.

Peter Bogdanovich ist einer der letzten aufrichtigen Hollywood-Romantiker. Der 76-Jährige hat die Traumfabrik von nahezu allen Seiten kennengelernt: Im Zuge seiner illustren Laufbahn war er als Kritiker, Filmhistoriker, Drehbuchautor, Schauspieler und Regisseur tätig, mit zahlreichen Legenden der US-Kinogeschichte verbinden ihn Freund- und Bekanntschaften. Er hat den Glanz und das Elend des Filmgeschäfts gesehen, große Erfolge gefeiert und schwere Schicksalsschläge erlitten – persönliche Tragödien ebenso wie katastrophale Kassenflops. Den Glauben an sein Medium hat der obsessive Cinephile jedoch niemals verloren: Alle seine Filme sind von einer eigentümlichen, unsentimentalen Nostalgie für die goldene Ära Hollywoods beseelt, der sie direkt oder indirekt Tribut zollen. Nun meldet sich Bogdanovich nach einer 13-jährigen Leinwandpause – denn der Zeitgeist ist seinem Stil schon lang nicht mehr freundlich gesinnt– mit einer fast schon jugendlich beschwingten Screwball-Comedy zurück.

Sympathie für die menschlichen Makel

Der hiesige Verleihtitel „Broadway Therapy“ („She's Funny that Way“ im Original) lässt an einen Woody-Allen-Film denken, doch die Parallelen zum Werk des Kultkomikers beschränken sich auf den Schauplatz New York und einen locker-flockigen Schunkeljazz-Soundtrack. Entscheidender Unterschied ist Bogdanovichs tief gefühlte Sympathie für die menschlichen Makel seines Figurenensembles: ein bunter Haufen überspannter Stadt- und Showbusiness-Neurotiker, die sich nur nicht in den Armen liegen, weil sie einander ständig auf den Zehen stehen. Der Broadway-Regisseur Arnold Albertson (Owen Wilson) bringt den Screwball ins Rollen: Er hat einen Gönnerkomplex und beglückt unter falschem Namen regelmäßig Escortdamen, indem er ihnen nach getaner Arbeit ein stupendes Entgelt anbietet – sie müssen dafür nur das älteste Gewerbe an den Nagel hängen und ihren Träumen folgen. Eine von ihnen, die lebensfrohe Izzy (einnehmend gespielt von der Britin Imogen Poots, im Original mit etwas gekünsteltem Brooklyner Akzent), will ausgerechnet Schauspielerin werden und landet selbstverständlich beim Vorsprechen für Albertsons neuestes Stück. Das Naturtalent der jungen Bewerberin (ihre Rolle: ein ehemaliges Callgirl) überzeugt alle Anwesenden, und der verlegene Theatermacher muss sie zähneknirschend engagieren.

In Folge entspinnt sich ein äußerst chaotischer Lustspielreigen, und der Film verheddert sich mit großer Freude in seinem komplexen Beziehungsgeflecht. Hier ist jeder mit jedem verbandelt, freundschaftlich, amourös oder professionell. Während Izzy dem Dramatiker Josh (Will Forte) den Kopf verdreht, macht sich der Star und Schwerenöter Seth (Rhys Ifans) an seine Bühnenpartnerin Delta (Kathryn Hahn) heran – Albertsons Frau, die nach der Offenbarung des ausgefallenen Hobbys ihres Gatten schlecht auf denselben zu sprechen ist. Hinzu kommen ein verliebter Richter (Austin Pendleton), ein alternder Detektiv (George Morfogen) und die vermutlich schlechteste Therapeutin der Welt (famos: Jennifer Aniston als schnauzendes Nervenbündel).

Die Dynamik der Handlung lebt von Zufällen, die von Szene zu Szene haarsträubender werden (einmal treffen sich sämtliche Figuren unversehens im selben Restaurant), aber das ist durchaus beabsichtigt. Wie die narrative Rahmung klarstellt, geht es in „Broadway Therapy“ ohnehin weniger um Wahrhaftigkeit als um die beflügelnde Wirkung unglaublicher (Film-)Geschichten – behält man die ereignisreiche Biografie des Regisseurs Bogdanovich im Hinterkopf, klingen stellenweise persönliche Töne durch das turbulente Treiben.

Tarantino in Gastrolle

Überhaupt profitiert der Film von mannigfaltigen Referenzebenen: Seine Hommage gilt den Klassikern des Screwball-Genres ebenso wie Bogdanovichs eigenen Versuchen auf diesem Gebiet, zusätzlich lässt sich eine Handvoll bekannter Gesichter in Kleinstrollen blicken. Der letzte Gastauftritt gehört im Übrigen niemand Geringerem als Quentin Tarantino, als Verweis auf eine jüngere Generation passionierter Cinephiler. Doch auch Tarantino ist mit seinen 52 Jahren kein Teenager mehr, und man wird das Gefühl nicht los, dass charmante Retro-Komödien wie „Broadway Therapy“ auch in Zukunft eine Ausnahmeerscheinung bleiben werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2015)

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