„Frank“: Abenteuer im Pappmaschee-Kopf

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In der Tragikomödie „Frank“ spielt Michael Fassbender einen enigmatischen Sänger: Eine charmante Hommage an die Kunstfigur Sidebottom und zugleich eine Branchensatire.

Wir sollten soziale Medien nicht pauschal dämonisieren! Und das, obwohl Facebook und andere Plattformen die Möglichkeit bieten, täglich Hass-Postings abzuladen. Denn wir verdanken der Demokratie der Neuen Medien auch mühelosen Zugang zu neuer Musik, die man ansonsten wohl nicht – oder erst viel später – entdeckt hätte. Sie helfen jungen Musikern bei der Veröffentlichung ihrer Werke. So wurde etwa die britische Band Arctic Monkeys via MySpace global berühmt.

Den Traum von einer großen Karriere hat auch Hobbymusiker Jon (Domhnall Gleeson) im Film „Frank“. Der rothaarige Nerd nutzt in diesem Fall Twitter, um auf sich aufmerksam zu machen. Die Kommunikation beherrscht er zwar („Working hard on songs all day. Now for dinner. #nomnomnom“), aber das musikalische Talent fehlt. Anfangs hat er lediglich 14 Follower. Doch das soll sich noch ändern. Durch Zufall wird er von einer eigenbrötlerischen Indie-Formation mit dem unaussprechlichen Namen Soronprfbs als Keyboarder verpflichtet. Obwohl der erste Auftritt jäh endet, wird Jon ein festes Mitglied der Band, er fährt mit ihr nach Irland. In der Einöde soll das erste Studioalbum eingespielt werden.

Jeder seiner neuen Kollegen (darunter auch Maggie Gyllenhaal als Clara) wirkt auf jeweils eigene Art seltsam, doch einer sticht heraus: Bandleader Frank. Er trägt einen riesigen Pappmaschee-Kopf, nicht nur auf der Bühne, sondern auch unter der Dusche, beim Zähneputzen und beim Essen. Sein Habitus ist ebenfalls gewöhnungsbedürftig („friendly but intense“): So schließt er sich tagelang in einem Zimmer ein, verfolgt seine Kollegen mit einer Schaufel oder fordert sie zu Ringkämpfen heraus. Geprobt wird mit zum Teil selbst gebastelten Instrumenten, oftmals bis zu 14 Stunden am Tag – „Do it yourself“, im wahrsten Sinne des Wortes! Nach elf Monaten in der Holzhütte beginnen die Aufnahmen. Jon dokumentiert dies autark auf YouTube und Twitter. Mit Erfolg. Das renommierte „South by Southwest“-Festival in Texas wird auf die Band aufmerksam und lädt sie zu einem Auftritt ein. Die verschrobene Indie-Kapelle schafft es tatsächlich nach Amerika. Der Starruhm scheint zum Greifen nah . . .

Fassbender brilliert als Bandleader

Der irische Regisseur Lenny Abrahamson hat mit „Frank“ eine skurrile Tragikomödie mit exzellenter Besetzung geschaffen. Das gilt für Domhnall Gleeson, aber vor allem für Michael Fassbender. Trotz – aus offensichtlichen Gründen – eingeschränkter Ausdrucksmöglichkeiten brilliert er als enigmatischer und unberechenbarer Bandleader mit Pappmaschee-Kopf. Der fragil-psychedelische Filmsong „I love you all“, den er mit einem Hauch von Jim Morrison singt, rundet seine künstlerische Leistung ab. Einfluss auf diese Filmrolle dürften auch Captain Beefheart und Frank Zappa gehabt haben.

Die Figur des Frank ist jedoch nicht grundlegend neu, sondern vielmehr eine Reminiszenz an Frank Sidebottom. Der britische Musiker und Komiker Chris Sievey hatte ihn 1984 als maskiertes Alter Ego kreiert. Ein Jahr später debütierte die Kunstfigur mit einer putzigen Version der Dead-or-Alive-Nummer „You Spin Me Round“ im Fernsehen. Es folgten viele Coverversionen, unter anderem zollte er mit „Panic on the Streets of Timperley“ (The Smiths) seinem Heimatdorf, einem Vorort von Manchester, Tribut. 2010 verstarb Sievey. Mittlerweile steht in Timperley eine Statue zu seinen Ehren.

Das Besondere an „Frank“: Der Film spielt mit Ambiguitäten. Er ist nicht nur eine Hommage und ein Außenseiterdrama, sondern zugleich eine Satire auf die Musikindustrie und die sozialen Netzwerke. Oder wie es Möchtegern-Star Jon ausdrückt: „Cheese and ham panini. #livingthedream“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2015)

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