„Knight of Cups“: Odyssee durch das Existenzrätsel

KNIGHT OF CUPS
KNIGHT OF CUPS(c) Melinda Sue Gordon/ Studiocanal
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In Terrence Malicks „Knight of Cups“ verschwimmen die Grenzen zwischen Dokument und Fiktion. Die Virtuosität liegt in der Montage schillernder Fragmente.

Es ist keine Kunst, die Filme Terrence Malicks zu verlachen oder als Edelkitsch abzutun. Wie in einem Gedicht von William Blake strahlt das Universum des medienscheuen US-Ausnahmeregisseurs aus jedem Sandkorn, jeder Augenblick birgt eine Ewigkeit. Spätestens seit dem kosmologischen Cannes-Sieger „Tree of Life“ (2011) wirken seine Arbeiten wie hemmungslos pathetische Kinogebete an Schrecken und Herrlichkeit des Seins, charakterisiert durch schwelgerische Bildsprache, die viele Nachahmer gefunden hat – ihre Anmut und Aufrichtigkeit ist aber nach wie vor unerreicht. Dass Malicks ausladende Transzendenzgesten in einer abgeklärten und politisch aufgewühlten Welt polarisieren, nimmt kaum Wunder: Während alle nach Antworten suchen, stellt er unverdrossen die großen Fragen.

Sein aktuelles Werk, „Knight of Cups“ – erst das siebte in einer von langen Schaffenspausen durchlöcherten Filmografie –, liefert den Verächtern aufgrund des ungewohnt glamourösen Settings eine Steilvorlage. Christian Bale taumelt darin als erfolgreicher Drehbuchautor Rick wie ein Schlafwandler im Maßanzug durch das Hollywood-Babylon von Los Angeles. Seine rastlose (und letztlich vergebliche) Sinnsuche führt durch die Vergnügungstempel und Nobelresidenzen der Reichen und Schönen, vorbei an rauschenden Festen und verlockenden Beziehungsangeboten – im Laufe des Geschehens entgleitet Rick den Armen von Cate Blanchett, Natalie Portman, Freida Pinto, Isabel Lucas und Imogen Poots. Im Freiflug durch Raum und Zeit trifft er auch auf Geister der Vergangenheit, etwa seinen verbitterten Vater. Einen wesentlichen Bezugspunkt der elegischen Odyssee stellt die „Pilgerreise“ des Baptistenpredigers John Bunyan dar, Tarotkarten liefern die Kapitelstruktur („Der Mond“, „Der Turm“, „Der Gehängte“). Esoterik? Katechismus? Plumpe Moral? Wohl kaum. Mythische und religiöse Insignien dienen dem Harvard-Absolventen und Heidegger-Übersetzer Malick bloß als Anhaltspunkte. Das Existenzrätsel bleibt bis zum Ende – das wieder nur ein Anfang ist – ungelöst. Wenn es eine Erkenntnis gibt, dann die der Flüchtigkeit von Glücksmomenten.

Transformative Erfahrung für alle

Im Streit um die Gültigkeit der spirituellen Seite von Malick wird oft übersehen, dass er einer der wenigen Avantgardisten der Filmgeschichte ist, dessen Kunst dank Starbesetzungen mit regulären Kinostarts bedacht wird. Schon bei den Dreharbeiten zu seinem legendären Debüt, dem Verbrecherpärchen-Roadmovie „Badlands“ (1973), brach er alle Konventionen des Kinogewerbes. Er ließ seine Darsteller ihren Impulsen folgen, drehte massenweise „überflüssiges“ Material und war an Momentaufnahmen und Stimmungsbildern weit mehr interessiert als an einer psychologisch stringenten Erzählung. Seither haben Produktionen Malicks den Ruf einer transformativen Erfahrung für alle Beteiligten – sicher ein Grund dafür, dass renommierte Schauspielgrößen auch bei seinen zeitgenössischen Projekten Schlange stehen.

Malick ist jemand, der nach nichts fragt, aber alles erwartet, wie es sein Stammausstatter, Jack Fisk, in einem Interview formulierte. Die Speicherkapazitäten digitaler Filmtechnologie haben seine Bildergier nur befeuert. Zusammen mit dem brillanten Kameramann Emmanuel Lubezki („Birdman“, „Gravity“) folgt er zwar strengen Regeln (natürliches Licht geht über alles), aber innerhalb dieses Rahmens ausschließlich der Intuition: Wo einen die Schönheit anspringt, wird sie von der schwerelosen Steadycam dankbar in Empfang genommen.

So verschwimmen die Grenzen zwischen Dokument und Fiktion, wenn man Bale bei Spaziergängen durch die Straßen beobachtet oder einer ausgelassenen Party mit Antonio Banderas als hedonistischem Gastgeber beiwohnt. Die Virtuosität liegt in der Montage der schillernden Fragmente zu einer Art symphonischen Dichtung, deren Sogwirkung nicht von narrativen Wendepunkten oder prägnanter Textführung ausgeht, sondern von den emotionalen Effekten der audiovisuellen Rhythmik. Es ist nur folgerichtig, dass der Dialog bei Malick längst in den Hintergrund gedrängt und von fragenden Flüstertönen aus dem Off abgelöst wurde: Worte sind bloß Noten in seinem lautstarken Kinochoral.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2015)

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