"It Follows": Sex ist (k)eine Erlösung

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Der Indie-Hit "It Follows", ein Coming-Of-Age-Horrordrama, besticht durch famose Ästhetik und packenden Score. Nur der Showdown wird manche Seher enttäuschen.

Das Thema Sexualität ist - neben der Religion - ein zentrales im Horrorfilm. So litt Norman Bates, die Hauptfigur in Alfred Hitchcocks „Psycho“ an einem Ödipuskomplex (und an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung). In einem anderen Klassiker, „Carrie“ von Brian De Palma (in der deutschen Fassung mit dem schön-schaurigen Untertitel „Des Satans jüngste Tochter“), fungiert die erste Menstruation der 16-jährigen Carrie White als Schlüsselszene. Im Slasherfilm "Halloween" tötet ein pathologisch misogyner Masken-Mann sexuell aktive Mädchen. Der amerikanische Indie-Hit „It Follows“ (Regie: David Robert Mitchell), der am 9.  Oktober in die heimischen Kinos kommt, verfolgt (!) einen anderen, aber durchaus spannenden Ansatz. Bereits der Prolog ist nervenaufreibend.

Das im Genre beliebte Schema, die Darstellung einer anfänglichen Idylle in Teenie-Horror-Filmen, wird gestrichen: Eine verängstigte junge Frau in Unterwäsche rennt auf die Straße. Zu pumpenden Synthie-Klängen, steigt sie ins Auto und fährt weg. Sie findet sich wenige Augenblicke später an einem Strand wieder, am Telefon verabschiedet sie sich mit verzweifelter Stimme von ihrem Vater. Bei Anbruch der Dämmerung sieht man ihre deformierte Leiche. Dann erst beginnt die eigentliche Geschichte: Die junge Studentin Jay (Maika Monroe) lebt in einem Vorort der ehemaligen Automobil-Metropole Detroit. Nach einem Kino-Date mit ihrem Freund Greg findet sie sich in seinem Wagen wieder, wo die beiden Sex haben. Statt einer zärtlichen Umarmung wird Jay von ihrem Liebhaber betäubt. Als sie wieder bei Sinnen ist, findet sich Jay angefesselt in einer Brückunterführung im Niemandsland wieder. Greg erzählt ihr von einem mysteriösen "Ding", das unterschiedliches Aussehen annehmen kann. Es wird sie verfolgen und töten. Durch Geschlechtsverkehr hat er den Fluch weitergegeben. Sie wirkt völlig verstört. Eine Frau erscheint vor ihren Augen. Jay gerät in Panik, doch es gelingt die Flucht. Greg lädt seine Freundin wie ein nicht mehr gebrauchtes Möbelstück auf der Straße vor ihrem Haus ab. Ihre Freunde wollen anfangs die abstruse Geschichte nicht wahrhaben, werden aber bald selbst Augenzeugen und Gefährten im Kampf gegen das Böse.

Soll man dem Hype glauben?

"Ist das der gruseligste Trailer aller Zeiten?", fragten amerikanische Medien und meinten das österreichische Psycho-Kammerspiel "Ich seh Ich seh". Der Hype war auch vor dem US-Kinostart des ästhetischen Coming-of-Age-Horrordramas "It Follows" groß. "Der furchterregenste amerikanische Horror Film der letzten Jahre", hieß es etwa. Der Einsatz von Superlativen in Medien ist zwar nichts Neues, durch soziale Medien ist der weltweite Zugang und damit die Streuung deutlich einfacher geworden. Sagen wir mal so: Der amerikanische Kassenhit (knapp 18 Millionen Dollar Einspielergebnis bei rund 2 Millionen Produktionskosten) wird zu einem Teil dem Hype gerecht.

Was will der Regisseur mit der Story vermitteln? Hat sie tieferen Sinn, soll sie Gesellschaftskritik sein? Sollen Jugendliche vor den Gefahren der über Geschlechtsverkehr übertragbaren Krankheiten wie HIV gewarnt werden? Steckt ein radikaler katholizistischer Ansatz dahinter: Kommen promiskuitive Teenager in die Hölle? Ist das sich stetig veränderte Böse die Personifizierung der "teen angst" in den zerfallenden Suburbs Amerikas? "It Follows" gibt viel Raum - und zwischenzeitlich viel Zeit - für Interpretationen und Metapher-(Alb-)Traumschlösser.

Packender Score, düstere Fotografie

Das Drehbuch ist jedenfalls frisch, der Film weder ein Reboot noch Sequel oder Prequel. Die düstere Fotografie ist famos und erinnert an Sofia Coppolas "Virgin Suicides" - Der von Synthesizern geprägte Score ist im Stile von John Carpenter-Klassikern packend. Die Unmittelbarkeit der Kamerführung strapaziert lange Zeit das bereits angespannte Nervenkostüm - das Böse hat viele Gesichter und ist immer und überall - des Zuschauers. Schade nur, dass sich die Spannung im letzten Drittel nicht steigert, ja fast schon stagniert. Es folgt, es folgt ... kein Twist.

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