„Er ist wieder da“: Hitler erschießt deutschen Hund

Medienmanagerin Bellini (Katja Riemann) sieht Comedy-Potenzial in Hitler (Oliver Masucci).
Medienmanagerin Bellini (Katja Riemann) sieht Comedy-Potenzial in Hitler (Oliver Masucci).(c) Constantin-Film
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Der bitterböse Roman „Er ist wieder da“ mit dem Führer als Wiedergänger wurde 2012 zum Riesenerfolg. Das Zeug dazu hat auch David Wnendts Verfilmung. Neu im Kino.

Was würden Sie sagen, wenn Ihnen heute mitten in Deutschland Adolf Hitler begegnete? Dass der Führer des deutschen Reichs in unseren Tagen wieder auftaucht und trotz monströser NS-Vergangenheit zum Medienstar wird, hat Timur Vermes 2012 im Bestseller „Er ist wieder da“ (Eichborn Verlag) zum Thema gemacht. Drei Jahre später ist nun der Film da, eine Komödie. Doch in einem Punkt hält sich Regisseur David Wnendt nicht an die Vorlage des satirischen Romans. Fiktion und Realität mischten sich beim Dreh in ungeahnter Form.

Hauptdarsteller Oliver Masucci ist dafür als Hitler in voller Montur samt Drehteam wochenlang durch Deutschland gereist. Man kann sehen, wie Passanten auf ihn reagieren. Bei manchen ist das Gesicht gepixelt, viele werden offenbar zufällig angesprochen, dabei wird oft nicht klar, wer Darsteller, wer Zufallsbegegnung ist. War auch die Auswahl der Szenen arbiträr? Jedenfalls erschreckt das nur zum Teil zufällige Ergebnis. Lachend machen Touristen vor dem Brandenburger Tor Selfies mit Hitler, so mancher Mann (manche Frau) von der Straße gewinnt den Ideen der Nazis durchaus gute Seiten ab, Ausländer heben grinsend die Hand zum Hitlergruß, nur vereinzelt zeigen Menschen ihre Abneigung. Diese drehen dann rasch ab.

Verdatterte Rechte vor ihrem Idol

Wo aber endet die Realität? Wurde im Studio mit Schauspielern inszeniert, wenn Hitler in Unterhosen in der Reinigung vor einer Frau aus dem Orient steht, unter großen Verständigungsproblemen fordert, dass sie seine Uniform putze? Oder ist die Frau samt Laden echt? Authentisch schauen Prügler aus, die auf Geheiß Hitlers einen jungen Mann attackieren, der nicht dazupasst. Auch die verdatterten Rechtsextremen, die der Führer in ihrem Vereinslokal niederschreit, sogar als Schande für sein Land bezeichnet, scheinen echt zu sein. In ihren Gesichtern mischt sich Verehrung mit Verwirrung. Die Minireportagen, seien sie manipuliert oder nicht, insinuieren: Zu viele reagieren auf Hitler heute so, als ob er noch mittendrin sei – in uns.

Solche Szenen mit ihrer ernüchternden Wirkung gehören zu den Stärken des Films, der mit Musik von Rossini bis Wagner überzuckert wird. Insgesamt signalisiert er allzu leichtfertig Beliebigkeit, und der grobe Witz des Romans verbraucht sich rasch: Fast 70 Jahre später wundert sich der Führer über die Entwicklung in Deutschland. In den Medien sieht er ein Mittel, sein Programm der Weltherrschaft endlich zu realisieren.

Die Anfangsszene bringt tolles Kino: Es raucht in den Plattenbauten von Berlin-Mitte, unter denen sich noch immer die Bunker der NS-Zeit befinden, vor allem die weitläufige Anlagen der Reichskanzlei, wo sich Hitler am 30. April 1945 das Leben genommen hat. Dort erwacht nun dieser kaputte Typ mit benzingetränkter, angesengter und zerschlissener Uniform in einer bräunlichen Grünanlage, vor der ein bemühter TV-Journalist (Fabian Busch als Sawatzki) eine Sozialreportage mit Jugendlichen dreht. Hitler steht auf, er wird fast überfahren, wankt durch die Hauptstadt, findet Unterschlupf bei einem Kioskhändler und informiert sich staunend über die Jahrzehnte, die er verschlafen hat.

Im Reich der brutalen Quotenjäger

Das sind nette Gags, sie wirken sogar zurückhaltend für deutsche Comedy. Ein finales Ziel bekommt der Film, als Sawatzki erkennt, wer ihm bei seinen Doku-Aufnahmen durch das Bild gelaufen ist. Der Reporter ist inzwischen gefeuert worden, vom skrupellosen Abteilungsleiter Sensenbrink (Christoph Maria Herbst), der selbst bei der Vergabe eines Spitzenjobs übergangen wird. Nicht Sensenbrink, sondern die stählerne Katja Bellini (Katja Riemann) kriegt einen Topjob ihres Privatsenders. Rasch ist die Sensation Hitler dort Chefsache. Er tritt in der Comedy-Show „Krass, Alter“ im TV auf und hat Riesenerfolg. Auf YouTube sprengt dieser modernisierte Führer blitzartig die Millionengrenze bei den Klicks. Von einer Assistentin lässt er sich das Internet erklären, ist begeistert von den neuen Möglichkeiten manipulativer Propaganda – Medienkritik in Masse. Dieses künstliche Paradies mit der Fixierung auf Quoten wird bis zur Kenntlichkeit entstellt. Auch dabei greift die Regie zum Trick, reale Talk-Showmaster mit fiktiven zu mixen. Sogar echte Politiker dürfen zu Wort kommen.

Ein neues Buch: Sein Kampf geht weiter

Allesamt sehen in dieser schönen neuen Kulisse wie Fantasiefiguren aus, bis auf einen. Burgschauspieler Masucci, ein Hüne, der in Statur und Ausdruck an eine antike Marmorstatue erinnert, gibt diese Figur so, wie er fast jede Rolle perfekt beherrscht – als leicht spöttischer Sphinx. Selten verzieht er die Miene zur Grimasse, er bleibt meist freundlich, sogar bei den wüstesten Offenbarungen seiner Ideologie. Das Ungeheuerliche hat einen neuen, beherrschten Ton. Hitler zeigt außerdem Sympathie für die Grünen. Diese scheinen ihm den rechten Begriff von Heimat zu haben. Fazit: Der Mann könnte rasch wieder Karriere machen, zumindest in den großen Studios und wahrscheinlich auch in so manch anderem Konzern. Er schreibt ein neues Buch. Sein Kampf geht weiter. Ein Detail lässt ihn beim Aufstieg aber stolpern: Hitler erschießt einen kleinen deutschen Hund. Das geht gar nicht mehr in Deutschland.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2015)

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