„Ronaldo“: Abseits der Scheinwerfer

SPAIN SOCCER CRISTIANO RONALDO
SPAIN SOCCER CRISTIANO RONALDO(c) APA/EPA/Universal Pictures / HAN (Universal Pictures / HANDOUT)
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Der Dokumentarfilm „Ronaldo“ zeigt den Weltfußballer als einen vom Erfolg besessenen und einsamen Mann.

London/Wien. Kein Sportstar polarisiert so wie Cristiano Ronaldo. Torrekorde und Titel, Arroganz und Eitelkeit bringen ihm Bewunderung und Hass ein. Aber der Weltfußballer braucht seine Feinde. „Der Hass treibt mich nach vorn“, sagt Ronaldo zu Anthony Wonke, dem Regisseur des Dokumentarfilmes „Ronaldo“, der heute in London Premiere feiert. Der Filmemacher begleitete den 30-jährigen Portugiesen vom Champions-League-Finale 2014 bis zu seiner dritten und umstrittensten Wahl zum Weltfußballer des Jahres.

Der Film legt auch bislang unbekannte Details zum Leben des Fußballers offen. Beinahe hätte Ronaldo die Welt gar nicht betreten. Seine Mutter, eine Köchin, wollte ihn ursprünglich abtreiben. Als Zwölfjähriger zog Ronaldo, benannt nach Ronald Reagan, dem Lieblingsschauspieler seines Vaters, weg von den Ascheplätzen Madeiras ins 1000 Kilometer entfernte Lissabon. In der fremden Stadt machte ihn sein Akzent zum Außenseiter, der Hass spornte ihn wohl schon damals an. 2003 gastierte Manchester United bei Sporting Lissabon. United-Coach Alex Ferguson war beeindruckt vom damals 17-Jährigen und holte ihn nach England. Der United-Manager wurde ein Art Vaterfigur. Ronaldos leiblicher Vater starb 2005 an seiner Alkoholsucht.

Kein Ronaldo ohne Messi

Ferguson überzeugte Ronaldo auch zum Bleiben, als er in England den Bösewicht des Fußballs verkörperte. Bei Englands WM-Viertelfinal-Aus 2006 gegen Portugal hatte Ronaldo den Platzverweis seines United-Kollegen Wayne Rooney gefordert. Auf der Insel wurde er ausgepfiffen, lang haftete ihm das Image eines Schwalbenkönigs an. Je theatralischer er zu Boden ging, desto härter gingen seine Gegner in die Zweikämpfe.

Mit einer sensationellen Saison 2007/08 wurde er zum ersten Mal Weltfußballer. Ein Jahr später wechselte er für die Rekordsumme von 94 Millionen Euro zu Real Madrid. Doch mit dem Wechsel zum Weißen Ballett nach Spanien begann auch das permanente Kräftemessen mit Lionel Messi. Es sollte eine der größten Rivalitäten des Sports werden. Ronaldo erträgt es kaum, wenn Leute sagen, Messi sei der Beste. Er ist unwidersprochen der glänzendere Werbestar. Sportlich aber drängte der Argentinier in Diensten Barcelonas Ronaldo immer mehr in den Hintergrund. Viermal war Ronaldo als Weltfußballer nominiert worden, viermal hatte er gegen Messi das Nachsehen.

„Für viele ist Lionel Messi der Beste, aber in meinem Kopf bin ich es“, sagt Ronaldo im Film. 2013 brach er schließlich die Serie von Messi. „Es gibt keine Worte, diesen Moment zu beschreiben“ schluchzte Ronaldo in seiner Dankesrede. 2014 gewann er die Champions League, das Finale gegen Atlético Madrid geriet aber zu einem seiner bizarrsten Auftritte. Im Spiel blieb er unauffällig, doch als er per Elfmeter in der 120. Minute der Verlängerung den Schlusspunkt zum 4:1-Sieg setzte, riss er sich das Trikot vom Leib und feierte sich, als hätte er gerade das Endspiel entschieden. Dennoch wurde Ronaldo wieder zum Weltfußballer gewählt. Weltmeister Manuel Neuer und WM-Finalist Messi gingen leer aus.

Cristiano junior

„Ich bin nicht der bescheidenste Mensch der Welt“, räumt der Superstar ein. Mit seinem Körperkult ist Ronaldo längst zur eigenen Modemarke geworden (CR7). Über 50 Millionen Euro soll er allein im Jahr 2014 verdient haben.

Trotz aller Eitelkeit schottet er sein Privatleben ab. Auch Regisseur Wonke musste erst Vertrauen zu ihm aufbauen. In sozialen Netzwerken hat Ronaldo 107 Millionen Freunde – ein Posting von ihm hat angeblich einen Werbewert von 230.000 Euro –, privat umgibt er sich nur mit seiner Mutter, den Geschwistern und seinem allgegenwärtigen Berater Jorge Mendes. Es schmerzt ihn, dass der Vater seinen Erfolg nicht mehr erlebt.

Sein Sohn Cristiano junior, wie könnte er anders heißen, ist sein einziger wirklicher Freund. Und den will er mit niemandem teilen – auch nicht mit der Mutter. Bis heute weiß niemand außer Ronaldo, wer die Mutter ist. Auch der Sohn nicht. „Irgendwann werde ich ihm das erklären“, sagt Ronaldo. Seinen unbändigen Ehrgeiz, der Beste sein, bekommt der Sohn zu spüren. Das Leben des Fünfjährigen scheint vorbestimmt: Er soll Tore schießen. Schon jetzt macht Cristiano junior jeden Tag Sit-ups. Dass der Junior eigentlich Torhüter werden will, versteht der Vater gar nicht. „Machst du Witze?“, sagt Ronaldo im Film zu ihm.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2015)

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