„Rosewater“: Eine Mischung aus Kafka und Monty Python

(c) Open Road Films (Nasser Kalaji)
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Jon Stewarts Film „Rosewater“ beschreibt das Haftmartyrium des iranisch-kanadischen Journalisten Maziar Bahari während der grünen Revolution in Teheran.

Noch am Vorabend seiner Verhaftung unter bizarren Spionagevorwürfen hatte Maziar Bahari ein E-Mail an die „Newsweek“-Redaktion geschrieben. „Dies ist der Anfang vom Ende der Islamischen Republik, wie wir sie kennen“, notierte der iranisch-kanadische Journalist, Korrespondent des US-Nachrichtenmagazins am 20. Juni 2009, mitten in den Wirren der grünen Revolution in Teheran, im Zuge der Proteste gegen die manipulierte Präsidentenwahl im Iran. Im Nachsatz schränkte er freilich ein: „Ich weiß nicht, wie lang es bis zu ihrem Fall noch dauern wird.“

So voreilig der erste Teil seiner Analyse war, so unverändert gültig ist der zweite Teil – sechs Jahre nach der Freilassung Baharis, nachdem sich damals US-Außenministerin Hillary Clinton für seine Freilassung eingesetzt hat, nach einer Isolationshaft von „118 Tagen, zwölf Stunden und 54 Minuten“ im berüchtigten Evin-Gefängnis, wie Bahari in seinem Buch „Then They Came for Me“ penibel auflistet. Wie sehr die Zeit verrinnt, wie wertvoll sie ist, dies sei womöglich die wichtigste Erkenntnis seiner Haftzeit, lautet jenseits politischer Überzeugungen sein Resümee. Nach Folter, Psychoterror, einer Scheinhinrichtung und zwei Selbstmordversuchen hinterließ er seinem „Nachfolger“ in der kargen Zelle eine an die Wand gekritzelte Botschaft: „Du bist nicht allein.“

Persische Höflichkeit

Schon in den Morgenstunden des 21. Juni 2009 waren die Häscher des Mullah-Regimes vor der Tür gestanden, um Maziar Bahari aus dem Bett zu holen, seine Habseligkeiten zu durchwühlen und peinlich-primitive Fragen mit vornehmlich sexueller Konnotation zu stellen. Wie es persische Höflichkeit gebietet, kredenzte Baharis Mutter den Eindringlingen Tee, und als Dank erntete sie einen harschen Befehl: „Setzen Sie das Kopftuch auf.“

So schildert der Film „Rosewater“, das Regiedebüt des mit Preisen und Lobeshymnen überhäuften Satirikers Jon Stewart, der im Sommer als Moderator der kultmäßig verehrten „Daily Show“ seinen Abschied genommen hat, die Schlüsselszene. Stewart hatte den Film – mit dem wandlungsfähigen mexikanischen Schauspieler Gael García Bernal, der auch bereits als junger Che Guevara agierte – im Vorjahr in der jordanischen Hauptstadt Amman gedreht. Im Rahmen des Festivals This Human World und in Zusammenarbeit mit dem International Press Institute (IPI) hatte „Rosewater“ am Dienstagabend im Filmcasino Österreich-Premiere.

Der Titel bezieht sich auf das Faible des Folterknechts für Parfum mit Rosenduft. „Bevor ich ihn sah, konnte ich ihn riechen“, erinnert sich Maziar Bahari. Ihm werden die Stacheln im Gedächtnis bleiben, die Schläge und die Brutalität, die er seither mit dem Geruch assoziiert. „Ich hatte einen pragmatischen Zugang zu meinem Folterer“, erzählt der Journalist im Publikumsgespräch von seiner Überlebensstrategie: „Ich wollte ja überleben, Hass hätte mich nur schwächer gemacht.“

Als Leitfiguren, als Phantasmagorien während seines Haftmartyriums standen ihm sein Vater und seine Schwester Maryam vor Augen, beide als Kommunisten – der eine von den Schergen des Schah, die andere von den Revolutionsgarden – ins Gefängnis gesteckt. „Es war wie eine Mischung aus Kafka und Monty Python“, sagte der 48-Jährige in einem Interview. Erinnerungen an die Familie, an Bücher und Filme hätten ihm Halt gegeben, bestätigte der Anton-Tschechow-Fan in Wien.

„Leonard Cohen war mein Geheimnis“

„Leonard Cohen war mein Geheimnis, von dem sie nichts wussten.“ In einer Szene tanzt Bernal beschwingt zum Cohen-Song „Dance Me to the End of Love“ – eine Szene, die aber der künstlerischen Freiheit Jon Stewarts entsprungen ist. „Wenn es etwas an dem Film auszusetzen gibt, dann, dass ich ein besserer Tänzer bin“, meint Bahari augenzwinkernd.

In einer satirischen Einlage in Stewarts „Daily Show“ war Bahari im Frühsommer 2009 in Teheran als falscher Spion aufgetreten. Der Clip fiel prompt den iranischen Zensoren in die Hände, sie hielten Baharis Bekenntnis für bare Münze. Dass er als Spion für „CIA, MI6, den Mossad“ im Evin-Gefängnis gelandet ist, ist für Bahari und Stewart der Beweis, dass mit dem Mullah-Regime nicht zu spaßen ist – und dass es keinen Humor kennt.

So erhellend ironisch und sarkastisch Jon Stewart den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen in den USA in der „Daily Show“ den Spiegel vorgehalten hat, so sparsam setzt er komische Elemente im Film ein. Höhepunkt ist die Beschreibung angeblicher Sex-Exzesse in New Jersey, um den geilen Folterer selbst auf die Folter zu spannen. Zu ernst nimmt Stewart seinen Stoff, zu wichtig ist ihm der aufklärerische Ethos des Journalismus, als dass er sie ins Lächerliche ziehen würde.

Für Bahari hat sich die innere Widersprüchlichkeit der islamischen Republik auch nach dem Atomdeal nicht aufgelöst: „Es ist ein analoges Regime in einem digitalen Zeitalter. Die Kluft wird größer. Der jetzige Präsident ist besser als der alte, aber er ist kein Nelson Mandela.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2015)

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