„Ich bin dann mal weg“: Hier findet man keine Erleuchtung

 Devid Striesow gibt den Komiker Hape Kerkeling, der auf dem Jakobsweg nach Gott (und sich selbst) sucht.
Devid Striesow gibt den Komiker Hape Kerkeling, der auf dem Jakobsweg nach Gott (und sich selbst) sucht.(c) Warner Bros.
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In seinem Buch „Ich bin dann mal weg“ beschrieb der Komiker Hape Kerkeling den Jakobsweg. Die Verfilmung mit Devid Striesow bleibt ein oberflächlicher Spaziergang.

Und dann weint er. Er hat die Pyrenäen in Badeschlapfen überquert, weil seine Füße voller Blasen von den Wanderschuhen waren. Er ist – man könnte es schummeln nennen – ein Stück des Weges auf der Ladefläche eines Wagens gemeinsam mit zwei rülpsenden Schafen gefahren. Er ist Ungeziefer und nervigen Fans begegnet. Einmal hat er schon aufgeben wollen. Nun steht er im hohen Gras einer Hügellandschaft, schaut in den bewölkten Himmel und hält die Tränen nicht zurück.

„In meinem Reiseführer steht, dass jeder Pilger auf seiner Reise mindestens einmal weinen muss“, hat Hape Kerkeling schon früh auf seiner Reise notiert. Der deutsche Entertainer, nach einem Hörsturz und der Entfernung seiner Gallenblase zu einer Auszeit gezwungen, wanderte 2001 auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Sein Reisebericht „Ich bin dann mal weg“ (2006) verkaufte sich über fünf Millionen Mal, stand monatelang an der Spitze der Bestsellerliste.

Unter der Regie von Julia von Heinz, die für ihren letzten Film „Hannas Reise“ viel Kritikerlob einsammelte, wurde Kerkelings Buch nun verfilmt. Aus dem hoch persönlichen, unterhaltsamen Bericht mit ernster Note wurde dabei ein Schönwetterfilm, der sich für Kerkelings Antrieb, 791 Kilometer zu Fuß zu gehen, nicht wirklich zu interessieren scheint.

Als „eine Art Buddhist mit christlichem Überbau“ bezeichnet sich Kerkeling im Buch, auf Wanderschaft will er zu dem Glauben zurückfinden, der ihm als Kind so wichtig war und den er beim Erwachsenwerden irgendwo liegen gelassen hat. Für seine katholischen Mitpilger interessiert er sich wenig. „Die werden als die gleichen Menschen die Reise beenden, als die sie sie begonnen haben.“ Kerkeling treibt nicht das Versprechen, von allen Sünden befreit zu werden, sondern die Sehnsucht, mehr über sich selbst und sein Verhältnis zu Gott zu erfahren.

Kalendersprüche und Postkartenmotive

Drei Drehbuchautoren haben die Aufzeichnungen seiner Sinnsuche durch ein Sieb geschüttelt und vorwiegend die Sätze übrig gelassen, die sich als Kalendersprüche eignen. „Nichts hoffen, nichts erwarten – ist das der Schlüssel zum Glück?“, fragt sich Kerkeling aus dem Off, während er still in sich hinein grinsend über Berg und Tal wandert. Seine Motivation scheint zu sein: Wenn es schon nicht hilft, so schadet es wenigstens nicht.

Kerkeling wird von Devid Striesow gespielt (und gesprochen), der dem Komiker erstaunlich ähnlich sieht – und sich dessen Stimme und Gestik so gut einverleibt hat, dass es selbst Koproduzent Kerkeling unheimlich vorkam, wie er zugibt. Striesow gibt ihn als nachdenklichen Privatmann, der den Trubel um seine Person scheut. Er leistet gute Arbeit dabei (fürs Drehbuch kann er auch nichts). Die vielen Gestalten, denen Kerkeling auf seiner Reise im Buch begegnet, werden im Film auf drei kinotaugliche Typen reduziert: die verschlossene Frau, die über den Tod ihrer kleinen Tochter nicht hinwegkommt (Martina Gedeck); die genervte Reporterin, die lieber ganz woanders wäre (Karoline Schuch); und die große Masse der lauten, uneleganten Pilger in ihren bunten Outdoorjacken.

Zwischen ihnen geht es dahin von Postkartenmotiv zu Postkartenmotiv, ein Stempel nach dem anderen drückt sich in den Pilgerpass. Die Inszenierung wartet mit wandernden Linien auf Landkarten und schönen Kameraflügen über die nordspanische Landschaft auf. Zwischendurch gibt es Szenen aus Kerkelings Kindheit: Da erklärt ihm etwa der Pfarrer nach dem Selbstmord seiner Mutter, dass der Herrgott sich die, die ihm am liebsten sind, zu sich holt. Möge Gott sie hassen, sagt der Bub dann wütend zu seiner Großmutter, bei der er aufwächst.

Ob er Gott auf der Wanderschaft nun wieder findet oder nicht, ist letztlich egal. Die Moral des Films ist, dass man durchhalten muss, um etwas zu schaffen. Erfolg ist die Leistung des Einzelnen: Dem kleinen Kerkeling aus der Vergangenheit gelingt der Durchbruch als Kabarettist, der große erreicht Santiago. Dafür hätte er gar keine Tränen vergießen müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2015)

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