„Knock Knock“: In Biedermanns Villa ist kein Platz für feine Klingen

Keanu Reeves lässt das Unheil in Form zweier junger Schönheiten ins Haus.
Keanu Reeves lässt das Unheil in Form zweier junger Schönheiten ins Haus.(c) Constantin
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Subtilität und Untertreibung sind ihm fremd: Regisseur Eli Roth polarisiert auch mit seinem neuesten Werk, „Knock Knock“, in dem ein braver Ehemann (Keanu Reeves) in ein psychosexuelles Machtspiel verwickelt wird.

Wer klopfet an? Im Fall von Keanu Reeves zwei junge, vom Regen durchnässte Frauen, die sich auf der Suche nach ihrer Party-Location in seine Vorstadtsiedlung verirrt haben. Die spärliche Kleidung klebt an ihren schönen Körpern: Ein Anblick, der den Ehemann, dessen Familie zu einem Strandurlaub aufgebrochen ist, leicht nervös werden lässt. Dennoch bittet er die Frauen zu sich ins Trockene und pfeift damit ein Spiel an, das seine Biedermannwelt gehörig ins Wanken bringt.

Eli Roth ist immer noch einer der polarisierendsten und provokantesten Regisseure des amerikanischen Erzählkinos. Nach seinem tauglichen Debüt „Cabin Fever“ sorgte er mit „Hostel“ weltweit für überhitzte Diskussionen darüber, wie weit ein Horrorfilm gehen darf. Feuilletonisten nannten den unverschämt vulgären Ritt durch ein Klischee-Südosteuropa, in dem amerikanische Touristen von wohlhabenden Psychopathen gegen Bezahlung gepeinigt und getötet werden, einen „Folterporno“. Man nahm an, dass es diesem Filmemacher nur darum geht, mit drastischen Gewaltszenen die niedrigsten Gelüste eines emotional verwahrlosten Publikums zu bedienen – „Hostel“ wurde selten hinsichtlich seiner filmischen Qualität beurteilt, lieber aufgrund seiner vermuteten moralischen Verrohtheit verurteilt.

Wie so viele Schundregisseure ist aber auch Roth bei aller ausgestellten Lust am Schock eine zutiefst konservative, beinahe schon biedere Erscheinung: Sämtliche seiner Arbeiten beuten symbolische oder tatsächliche Machtgefälle aus – zwischen Ost und West, Arm und Reich, den Wilden und den Zivilisierten oder wie jetzt in „Knock Knock“ zwischen Mann und Frau –, pressen die Ungerechtigkeit und korrupte Moral in grelle, leicht verständliche Geschichten und pochen nach all dem Aderlass auf eine bessere, eine schönere Welt. Roths Kino ist ein Bürgerschreck, ganz tief drinnen strebt es aber hin nach Disneyland.

Zu drastisch für den Salon

Daher ist es ein großer Coup, dass Roth für seinen jüngsten Film Keanu Reeves gewinnen konnte: Der 51-Jährige ist einer der großen Sympathieträger in Hollywood, ein Superstar ohne Skandale, ein Mann, der trotz vieler privater Schicksalsschläge ein glaubwürdiger Saubermann geblieben ist. Das weiß auch Roth und inszeniert „Knock Knock“ als lustvolle, bisweilen recht sadistische Demontage des braven Familienvaters, der nach einer Entgleisung – er steigt mit den Mädels ins Bett – in ein perfides psychosexuelles Machtspiel verwickelt wird. Die feine Klinge hat darin keinen Platz: Die Effekte sind drastisch, die Dialoge überspitzt, das Schauspiel übersteuert. Im Besonderen Reeves' Darstellung kratzt bisweilen am Parodistischen und sorgt für unfreiwilliges Gelächter.

„Knock Knock“ basiert auf dem Thriller „Tödliche Spiele“, der 1977 mit der gleichen Geschichte einen bescheidenen Erfolg einfahren konnte. Roth lässt sich immer wieder auf frühere Epochen des Horror- oder Spannungskinos zurückfallen, in denen Schocks und drastische Effekte zum guten Ton gehörten. Im Vergleich zur gegenwärtigen „Sophistication“ im internationalen Genrefilm, der mehr und mehr auf Ästhetik und Erzählsprache des Autorenkinos zugreift, sind Roths Filme nicht salonfähig, schon aufgrund ihrer Geschmacklosigkeit.

Das Ausbleiben von intellektuellen Rüschen muss aber nicht als Nachteil gewertet werden: Roth ist einer der wenigen verbliebenen, komplett überzeugten B-Film-Regisseure. Subtilität und Untertreibung sind ihm fremd. Er mag es schrill, spekulativ und spektakulär. Auch „Knock Knock“ polarisiert: So etwas in der ausdifferenzierten Kulturlandschaft der Gegenwart, in der so gut wie jede Nische bereits mainstreamtauglich gemacht worden ist, überhaupt noch zu schaffen, ist eine große Leistung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2015)

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