„Point Break“: Erst das Spektakel, dann der Inhalt

FBI-Aspirant Johnny (Luke Bracey) wird in die verbrecherische Extremsporttruppe um Bodhi (?dgar Ramírez) eingeschleust: Das ist Anlass für halsbrecherische Surfszenen, die den Film „Point Break“ ausmachen.
FBI-Aspirant Johnny (Luke Bracey) wird in die verbrecherische Extremsporttruppe um Bodhi (?dgar Ramírez) eingeschleust: Das ist Anlass für halsbrecherische Surfszenen, die den Film „Point Break“ ausmachen.(c) Constantin
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Das hysterische Remake des Actionsklassikers „Point Break“ ist eine Serie von Extremsporteinlagen – ohne eine gute Geschichte, die von den Stunts ablenken könnte.

Tätowierte Typen rasen über Bergrücken, fliegen über Abhänge und surfen auf Riesenwellen. Mehr gibt es zu „Point Break“ eigentlich nicht zu sagen. Außer, dass dieser teuer produzierte Actionfilm zum x-ten Mal zeigt, dass Neufassungen von verdienstvollen Klassikern selten mehr sind als eine Geldbeschaffungsmaßnahme für Hollywood-Studios in der Kreativkrise. 1991 schleuste die beste Actionregisseurin des amerikanischen Kinos, Kathryn Bigelow, den jungen Keanu Reeves als FBI-Agenten in eine Surferclique ein, die im Verdacht steht, mehrere Raubüberfälle begangen zu haben. In Erickson Cores hysterischem Remake reicht es schon allein ob des Gesetzes der Spektakelmaximierung nicht mehr, bloß Burschen beim Wellenreiten zu zeigen. Die Kinnladen sollen nach unten klappen, und zu diesem Zweck fährt man alles auf, was die Welt des Extremsports zu bieten hat.

Johnny Utah (Luke Bracey) studiert mittlerweile an der FBI-Akademie, war aber früher einer dieser Typen, die dem Tod zwecks spiritueller Erleuchtung immer wieder von der Schippe springen. Jetzt soll der FBI-Aspirant in die Extremsportlertruppe rund um den charismatischen Venezolaner Bodhi (verschwendet sein Talent: ?dgar Ramírez) einsteigen: Sie sollen Banken ausgeraubt und die Beute dann an Arme verteilt haben. Nicht nur die Geschichte selbst versucht sich an einer Blutgrätsche zwischen zweifelhaftem Altruismus und Machomystizismus. Der gesamte Film leidet an einem Glaubwürdigkeitsproblem: Die digital aufgemotzten Extremsporteinlagen, um die sich einige wenige Handlungsstränge gruppieren, sind so hochauflösend, so hochglänzend, dass jede Form von Mitfiebern und Anspannung im Pixelmeer ersäuft.

Hat man das Maschinenhafte dieser Momente überwunden, lauert schon das nächste dramaturgische Schlagloch: Bodhi und seine Mannen hoffen auf Erleuchtung durch die Ozaki-Acht, eine Serie von übermenschlichen Herausforderungen, an deren Ende die letztgültige Verschmelzung des Individuums mit seiner Umwelt, mit der Erdenmutter stehen soll: Der japanische Extremsportguru selbst ist schon bei der dritten Herausforderung gestorben, jetzt wollen die spirituellen Kerls bis zum Letzten gehen. Drehbuchautor Kurt Wimmer macht seine Robin Hoods zu Pop-Buddhisten. Die einzige Frau in der Truppe heißt Samsara (Teresa Palmer), ist Bubenfeuchttraum und Pantheistin, während die Jungs sich in unterirdischen Fight Clubs die Schädel einschlagen, bis sie Sterne sehen.

Sinnlos durch unsinnliche Montagen

Der Weg zur Erleuchtung ist eben hart. Dem Zuschauer bleibt er hingegen vollends verschlossen: Denn der Film weist keine nennenswerte innere Dramaturgie auf, die diese endlose Abfolge von anonymisierten Actionsequenzen mit Leben erfüllen könnte. Stattdessen rast man sinnlos durch unsinnliche Montagen. Es ist das hässliche Skelettgerüst des intellektuell ausgehöhlten Bombastfilms, das ganze Fleisch abgekratzt, damit nichts mehr von den gymnastischen Höchstleistungen der Stuntleute ablenken kann.

„Point Break“ hat das inhaltliche Gewicht eines Snowboardvideos und taugt höchstens als Lehrmittel darüber, wie Hollywood seinen eigenen kreativen Kräften misstraut. Es war einmal eine Zeit, in der das Spektakel aus einer Geschichte heraus gewachsen ist. Heute kommt zuerst das Remmidemmi, dann überlegt irgendjemand, was in den Ruhephasen passieren könnte. „Point Break“ ist nur hinsichtlich einer Sache wirklich wundersam: Selten gab es einen Film, in dem sich so viel so schnell bewegt und der dennoch nur Stillstand produziert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2016)

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