„Gänsehaut“: So ungeheuerlich kann eine Jugend sein

Aus den Buchseiten der „Gänsehaut“-Serie von R. L. Stine (Jack Black) kriechen Monster – ein Schreck für den Autoren und die Teenager seiner Kleinstadt.
Aus den Buchseiten der „Gänsehaut“-Serie von R. L. Stine (Jack Black) kriechen Monster – ein Schreck für den Autoren und die Teenager seiner Kleinstadt.(c) Sony Pictures
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In der Tradition der Gremlins und ähnlicher Achtzigerjahre-Monster: Die US-Horrorkomödie „Gänsehaut“ erweckt die putzig-grusligen Kreaturen des Jugendbuchautors R. L. Stine zum Leben. Ab Freitag im Kino.

Wann immer der legendäre US-Komponist Danny Elfman das Theremin auspackt, sitzt man in einem Film, der sich lustvoll und nostalgisch auf eine von künstlichen Nebelschwaden umwaberte, von schiefen Grabsteinen umstellte B-Film-Welt rückbezieht, in der auf jeden Grusel unweigerlich ein Lachen folgt, in der sich die Balken unter dem Staub der geliebten (Kino-)Vergangenheit biegen: Kein anderer zeitgenössischer Regisseur hat diese herzhafte Ästhetik stärker popularisiert und in den Massengeschmack eingepflegt als Tim Burton.

Und ja, Elfmans Kompositionen für Burtons Filme griffen oft auf das Theremin zurück. Dieses ätherisch klingende elektronische Musikinstrument dominiert auch die ersten Minuten der US-Horrorkomödie „Gänsehaut“ und signalisiert, in was für einer fantastischen Welt man sich befindet. Nämlich in jener von R. L. Stine: Mit seinen Kinder- und Jugendbuchreihen hat der US-Autor nicht ganz ernst gemeinten Grusel mit Entwicklungsroman-Vignetten zu einem enorm erfolgreichen Ganzen verschmolzen, das längst nicht mehr nur die Kleinen erfreut.

Stines Erzählungen setzen damit in der Literatur fort, was im Kino nur in den Achtzigerjahren tonangebend war. Damals konfrontierten Filme wie „Gremlins – Kleine Monster“ (1986) und „The Monster Squad“ (1987) junge Zuschauer auf spielerische Weise mit all den Ungeheuern, vor denen die Eltern sie beschützen wollten – und deren Darstellung von Jugendschützern kritisiert wurde.

Dämonische Gartenzwerge

Das wird „Gänsehaut“ nicht passieren: Zwar ist der Film von unheimlichen Clowns, riesenhaften Gottesanbeterinnen und dämonischen Gartenzwergen bevölkert, aber Regisseur Rob Letterman hat ihnen die Kanten genommen. Jetzt kann man aufgrund der Familientauglichkeitssucht dieses Films zwar durchaus zu Recht jammern, aber das würde dann auch den Blick auf die Qualitäten dieses Monster- Mash-ups verstellen.

Hauptfigur ist der Jugendliche Zach (Dylan Minnette), der mit seiner Mutter aus New York City ins beschauliche Örtchen Greendale umgezogen ist. Dort dominiert ein im Besonderen für seine Altersgruppe wenig erquicklicher Mix aus gepflegten Rasenflächen und omnipräsenten Kleinfamilien, die ihre SUVs auf den von Bäumen gesäumten Straßen spazieren fahren. Einziger Lichtblick für den Burschen ist seine Nachbarin Hannah (Odeyah Rush), ein sonderbares Gewächs von Mädchen, das von ihrem grimmigem Vater nicht nur zuhause unterrichtet, sondern auch sonst von Menschen ferngehalten wird.

Es kommt, wie es kommen muss: Als Zach meint, Hannah in ihrem Zimmer schreien zu hören, eilt er ihr in ihrem Haus zu Hilfe, wirft aus Unachtsamkeit ein Buch zu Boden und setzt damit diese „Gänsehaut“-Geschichte in Gang: Denn aus dessen Seiten kriecht ein grauenhaftes Yeti-Monster. Tatsächlich ist Hannahs Vater der legendäre Autor R. L. Stine (Jack Black), und er erklärt, dass er als gehänselter, erniedrigter Jugendlicher Monster erfunden und zu Papier gebracht habe, die er seinen größten Feinden an den Hals gewünscht habe. Irgendwann hätten sie sich dann nicht mehr nur für ihn selbst echt angefühlt, sondern seien überhaupt real geworden. Wie der Yeti, der jetzt durch Greendale stapft. Bei ihm bleibt es nicht: Orchestriert von der grundbösen Bauchrednerpuppe Slappy (im Original ebenfalls von Jack Black gesprochen), zieht ein zerstörerischer Zug aus Ungeheuern durch die Straßen.

Rob Letterman hat seine Karriere mit Animationsfilmen wie „Monsters vs. Aliens“ (2009) begonnen: Aber auch sein zweiter Realspielfilm wirkt besonders in den von Monstern geprägten Sequenzen – und davon gibt es viele – wie direkt auf dem Computer berechnet. Die menschlichen Figuren verkommen im digitalen Gewusel schnell zu kreischenden Nebendarstellern. Schade, denn insbesonders die Chemie zwischen den Jungtalenten Dylan Minnette und Odeya Rush ist stimmig: Da wäre mehr an authentischem Jugendgefühl drin gewesen, da hätte sich auch die Raison d'?tre für Stines Monster angeboten – konzipiert, um sie im eigenen Kopf gegen die Bullys an der Schule gewinnen zu lassen –, mit der Tatsache zu harmonisieren, dass sich viele Teenager selbst als Ungeheuer empfinden.

Aber das wäre von so einem turboschnellen Unterhaltungsspektakel zu viel verlangt, das übermütig und sehr gekonnt wüste Monsterentwürfe präsentiert. Spätestens in der zweiten Hälfte stellen sich beim erwachsenen Zuseher doch Ermüdungserscheinungen ein: Dann wünscht man sich, die Monster hätten nicht all das dramatische Fleisch von den Knochen dieses Films genagt. Immerhin: Danny Elfmans Theremin klingt noch lang nach, zaubert einem ein Schmunzeln aufs Gesicht und sorgt vielleicht sogar für ein wenig Gänsehaut.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2016)

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