„Deadpool“ im Kino: Ein Metafilm für die Marvel-Jünger

(C) Centfox
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Die Welle der Comicverfilmungen spült Deadpool ins Kino. Der sarkastische Antiheld durchbricht – wie in der Vorlage – die vierte Wand. Ein bizarrer Spaß für Kenner.

„Moments like this require someone who will act. To do the unpleasant thing. The necessary thing.“ Serienexperten werden dieses Zitat sofort der ersten Staffel von „House of Cards“ zuordnen können. Wenn Kevin Spacey als skrupelloser Polit-Karrierist Frank Underwood mit dem Fernsehpublikum spricht, wird die sogenannte vierte Wand durchbrochen. Hier fällt der Akteur aus seiner Rolle und interagiert mit dem Seher.

Das Stilmittel der narrativen Metalepse ist keinesfalls ein neues. In der Popkultur findet man eine Reihe von Beispielen: Die britischen Komiker Monty Python wandten sich in ihren Sketches und in „Die Ritter der Kokosnuss“ an die Rezipienten, Woody Allen in „Der Stadtneurotiker“, John Cusack in der Literaturverfilmung „High Fidelity“ oder – besonders amüsant – Rick Moranis als Darth-Vader-Parodie in „Spaceballs“. Das Durchbrechen der vierten Wand ist also alles andere als eine bierernste Angelegenheit. Auch in Comicbüchern wird die narrative Stilform gerne verwendet.

Ein prominentes Beispiel ist der Marvel-Superheld Deadpool. Die Figur zählt im Vergleich etwa zu Batman zu den jungen Comic-Heroen. 1991 trat sie erstmals auf. Trotz der gewissen Ähnlichkeit zum maskierten Spiderman (Obacht, liebe Eltern!), ist Deadpool mehr sarkastischer Antiheld als ein moralischer Hüter von Recht und Ordnung. Nun erhält die bizarre, aber sehr beliebte, im Universum der X-Men angesiedelte Figur ihren ersten eigenen Film.

Wade Wilson (Ryan Reynolds, eine geglückte Besetzung), ein ehemaliger Special-Forces-Soldat und nunmehriger Söldner, nimmt nichts und niemanden ernst. Das ändert sich, als er seine große Liebe, Vanessa (Morena Baccarin), trifft – und vor allem, als bei ihm Hodenkrebs diagnostiziert wird. Überlebenswahrscheinlichkeit? Gering.

Operation gelingt: Patient besiegt Krebs

Just zu diesem Zeitpunkt taucht ein Vertreter einer mysteriösen Organisation auf und unterbreitet ihm ein Angebot: Der Krebs könne mittels eines Experiments geheilt werden. Er willigt ein – muss dafür seine Partnerin verlassen. Die Operation wird zu einem Todesspiel, Wilson von einem Sadisten gequält. Doch er überlebt, besiegt den Krebs. Von Narben übersät, schwört der nun mit übernatürlichen Kräften ausgestattete Wilson (selbst Extremitäten wachsen nach!) Rache an seinem Peiniger ...

Ryan Reynolds (39) hat bislang nicht die besten Erfahrungen mit dem Comicfilm-Genre gemacht. In „Green Lantern“ (2011) spielte er den gleichnamigen grünen Superhelden des Marvel-Mitbewerbers DC. Das CGI-Monstrum in 3-D fiel bei Kritikern und beim Kinopublikum komplett durch. Zwei Jahre zuvor durfte er erstmals kurz Bekanntschaft mit der Deadpool-Figur in „X-Men Origins: Wolverine“ machen. Auch da machte sich Reynolds bei der smarten Anhängerschaft keine Freunde. Das wird sich mit diesem Film wohl ändern. Nicht nur, weil das Spiel mit der vierten Wand an vielen Stellen blendend funktioniert, sondern weil auch Reynolds' filmische Vergangenheit zum Thema gemacht wird (vor dem Experiment: „Don't make the suit green. Or animated“).

Wie überhaupt der bis ins Mark politisch unkorrekte Film vor Anspielungen auf die Welt der Comics – und die Popkultur (127 Hours, Golden Girls, Wham!) generell – nur so überquillt. Novizen könnte in diesem Referenz-Karussell schwindlig werden, Kenner werden „Nerdgasmen“ bekommen. Alles für die Fans. So läuft der nicht gerade zimperliche und brutale Film nun in der „Rated R“-Version (sprich nicht jugendfrei) in den Kinos an. Fazit: Eine für die Zielgruppe durchaus gelungene Franchise-Einführung. Eine Fortsetzung ist sehr wahrscheinlich.

Die besten Momente hat der fluchende Antiheld im Film nicht solo, sondern in der Interaktion mit zwei (dem durchschnittlichen Kinogeher weniger bekannten) X-Men-Mitgliedern: „Konnte sich das Studio nur zwei X-Men leisten?“ Die Frage kommt, wie könnte es anders sein, von Deadpool selbst. Alles Meta im Marvel-Universum.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2016)

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