Filmkritik „Winwin“: Die Investoren spielen Erlöser

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Daniel Hoesls Satire über die Macht des Kapitals und seiner Hohepriester, spielt in Österreich – sie könnte überall spielen. Eine ungewöhnliche Farce. Ab Freitag.

Vom Himmel hoch, da kommen sie her: Vier Investoren in maßgeschneiderter Designergarderobe. In Reih und Glied und Zeitlupe stolzieren sie am Anfang des Films in Richtung Kamera, wie Actionhelden auf Weltrettungsmission. Im Hintergrund prangt ihr bunt gescheckter Privatjet, auf der Tonspur krachen ominös die düsteren Synthesizer-Riffs einer OP:L-Bastards-Nummer: „Jet black man, beyond the seas/Not human like you and me.“ Ein programmatisches Eröffnungsbild: apokalyptische Reiter im Erlösergewand.

Alles an diesem Plutokratenquartett ist so engelsgleich wie aalglatt: ihre Kleidung, ihr Auftreten, ihre Mimik, ihre Sprache. Sie sind herabgestiegen von stolzen Höhen, um selbstlos das Leid armer Sünder auf sich zu nehmen und krisengeschüttelte Unternehmen vor der Insolvenz zu bewahren. Welche Unternehmen spielt eigentlich keine Rolle, ebenso wenig, dass Österreich den Schauplatz dieser modernen Fabel bildet – man könnte die Handlung ohne Weiteres an jeden beliebigen Ort der Welt verlagern. Wichtig ist nur der Tonfall der Investoren (verkörpert von einem kosmopolitischen Ensemble – Christoph Dostal, Stephanie Cumming, Jeff Ricketts und Nahoko Fort-Nishigami), die ihre zahlreichen Bittsteller mit einer multilingualen Mischung aus anheimelnden Lockfloskeln, eisernem Selbstbewusstsein und einschüchternder Höflichkeit dazu bringen, Haus und Hof in Bausch und Bogen an sie abzutreten.

Eine Handtasche für die Ministerin

Ganz ohne Sicherheiten, vielleicht sogar mit einer Draufgabe für Risken („Was haben S' denn einstecken?“, wird ein verzweifelter Zeitungseigentümer gefragt), die es in Wirklichkeit nicht gibt – verkaufen kann man schließlich immer. Und wenn es Probleme gibt, helfen die Kontakte zur Politik: Ein Besuch bei der zuständigen Ministerin (Johanna Orsini-Rosenberg), als Gastgeschenk eine gelbe Peccary-Handtasche – handgenäht im Pantanal –, und die Sache ist geritzt.

„Winwin“, der letztes Jahr in Rotterdam Premiere hatte, ist in seiner Machart weit entfernt von handelsüblichem Realismus. Sein moderates Budget kompensiert er mit konzentriertem minimalistischen Stilwillen, er präsentiert sich als eine Art Destillat großkapitalistischer Ideologie und Ästhetik. Gedreht wurde in Hallen der Macht (von der Majestic Suite des Sofitel über die Hofburg bis hin zum DC Tower auf der Donauplatte), die dank der rigiden Mise en Scène und den präzise kadrierten, gestochen scharfen Digitaleinstellungen im engen 4:3-Format (Kamera: Gerald Kerkletz) noch steriler erscheinen. Die Dialoge wurden bei den Proben erarbeitet, fußen aber auf Recherchen: Hoesl und sein Team haben etliche Interviews mit Superreichen geführt, um ihren Habitus und Duktus maßstabsgetreu wiederzugeben (Story-Vorbild war der Fall von Nicolas Berggruen, der 2010 das deutsche Warenhaus Karstadt um einen Euro gekauft und an den Markenrechten verdient hat, ohne seine Sanierungsversprechen einzulösen).

Immer dreister – bis ins Surreale

Von Figuren kann bei alledem nicht wirklich die Rede sein, eher von Archetypen. Die Verhandlungsgespräche sind so gefilmt, dass man den Schauspielern stets ins Gesicht blickt – der quasireligiöse Magnetismus ihrer Visagen überlagert den fragwürdigen Gehalt ihrer Aussagen. „Winwin“ driftet umso mehr ins Surrealistische, je dreister die Investoren werden: Sie besetzen den Vorstand einer gekauften Firma mit Obdachlosen, und als die Behörden ihr leer stehendes Hauptquartier durchsuchen, bekennen sie offen die Haltlosigkeit ihrer Investmentpläne – was prompt ignoriert wird. Manche Ideen des Films bleiben kryptisch, und nicht jede Pointe hat den intendierten Biss, aber insgesamt ist Hoesl und seiner European Film Conspiracy eine ungewöhnliche Farce gelungen, die durchaus Aktualitätswert hat – der nächste Privatjet ist bestimmt schon im Landeanflug.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2016)

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