„The Forbidden Room“: Durchgeknallter Kino-Irrwitz

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Als hätte jemand seine (Alb-)Träume in den Schmelztiegel geworfen: die experimentelle Digitalcollage „The Forbidden Room“.

Es kommt nicht mehr allzu oft vor, dass man kopfkratzend aus dem Kino kommt und sich fragt, was zur Hölle man gerade gesehen hat – durchgeknallter Leinwandirrwitz gilt heutzutage als schwer vermittelbar. In den Siebzigern waren „Midnight Movies“ (zumindest in US-Metropolen) keine Seltenheit: Ein geneigtes Publikum frönte in Spätvorstellungen der Leidenschaft für Ausgefallenes, Abenteuerliches und Abwegiges und ließ sich von kinematografischen Kuriositäten aller Art das Hirn durchwalken. Von 1. bis 6. April läuft nun im Wiener Gartenbaukino ein Mitternachtsfilm par excellence, wenngleich zu regulären Spielzeiten: „The Forbidden Room“ von Guy Maddin und Evan Johnson.

Inspiriert von verschollenen Werken aus den Kindertagen des Kinos flicken die Regisseure eine Collage aus abstrusen Kurzgeschichten über Holzfäller und Höhlenmenschen, Vampire und Vulkanausbrüche, die fließend ineinanderübergehen und sich verschachteln wie eine Matrjoschka. Das Ergebnis ist eine exzessive und erschöpfende, aber durchweg faszinierende und humorvolle Phantasmagorie ohne Kurzzeitgedächtnis – als hätte jemand seine (Alb-)Träume in einen Schmelztiegel geworfen. Gedreht wurde im digitalen Schnellverfahren (eine Episode pro Tag), doch dank langwieriger Nachbearbeitung hat „The Forbidden Room“ die Aura einer in Auflösung begriffenen Nitratkopie, während die verwaschenen Farben an alte Technicolor-Filme erinnern.

Keine einheitliche Ästhetik

Von einer einheitlichen Ästhetik kann sowieso nicht die Rede sein: Das Bild und die Erzählung sind konstanten Mutationen unterworfen. Wir erleben Kunst- und Kulissenwelten aller Genres, Schauspieler (darunter auch größere Namen wie Mathieu Amalric, Charlotte Rampling, Geraldine Chaplin und Udo Kier) wechseln ihre Rollen wie Handschuhe, und zuweilen verwandelt sich die Leinwand dank Morphing-Effekt in eine irrlichternde Lavalampe – sogar der Vorspann ist eine Hybride aus etlichen Titelsequenzen. Indes sorgt ein Klangteppich aus Klassik-Loops und Geräuschen für Atmosphäre auf der Tonspur – auch wenn sich „The Forbidden Room“ periodisch in einen Stummfilm verwandelt.
Trotz seines Retro-Fetischismus ist dieses Experiment hochmodern und lotet aus, wie man Kino im digitalen Zeitalter denken kann. Im Übrigen hätte es noch länger werden können: Ein Restbestand an Versatzstücken soll im Internet zum Einsatz kommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2016)

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