"Gods of Egypt": Diese Götter hat es nie gegeben

Gods of Egypt
Gods of EgyptConcorde Filmverleih
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Dass in "Gods of Egypt" fast nur weiße Darsteller mitspielen, empörte. Mit der Wirklichkeit hat dieser Film, ein Wüstenritt durch alle Abenteuerfilmklischees, auch sonst nichts zu tun.

Göttern ist nicht zu trauen. Eine Einschätzung, die nicht unbedingt mit dem besorgniserregenden Zeitgeschehen in einem kausalen Zusammenhang stehen muss, aber klar ist schon auch: Wenn sich Batman und Superman gegenseitig die Fresse polieren, dann bebt da mehr als nur der Boden, auf dem sie stehen, dann erodieren Sicherheiten, dann ist es nicht mehr, wie es einmal war. Soll heißen, jede Zeit erschafft sich ihre Götter, und wie es scheint, schreit die Menschheit nachgerade nach Übermächtigen, die ebenso scheitern wie wir selbst.

Das Misstrauen gegenüber allem und jedem ist zum Basiswert der Popkultur geworden: In Fernsehserien wie „House of Cards“ und „Game of Thrones“ bekommt man episodenweise Beweise dafür geliefert, dass man sich tatsächlich an nichts festhalten kann, dass nur mehr Narren überhaupt zu hoffen wagen, etwas könnte besser werden. In so einem gesamtkulturellen Klima hat es jede Form von absoluter Kunst schwer: Arbeiten, die nichts der Relativierung preisgeben, in denen die moralischen Grenzen noch klar abgesteckt sind und sich die Ambivalenz allerhöchstens in der einen oder anderen Figur manifestiert, werden in der vernetzten Welt lächerlich gemacht, sobald sie zum ersten Mal ihr Gesicht zeigen.

Dabei hat das nichts mit der Qualität des Films im engeren Sinn zu tun, denn ansonsten müsste ein „Batman v Superman“, von einem der schlechtesten Filmemacher der Gegenwart inszeniert, bereits Monate vor seiner Veröffentlichung zur Zielscheibe von Spott und Hohn werden. Als sich Alex Proyas' „Gods of Egypt“ vor etlichen Monaten zum ersten Mal mit Bewegtbildern ankündigte, war es allerdings nicht nur der durch und durch gekünstelte Gesamteindruck, der für Aufregung sorgte, sondern vor allem, dass der in Ägypten geborene Regisseur beinahe ausschließlich kaukasische Körper durch seine überbordende Fantasie turnen lässt, wo die Charaktere doch, zumindest vom Setting der Geschichte her, ethnisch korrekt von braunhäutigen Schauspielern hätten dargestellt werden müssen. Flugs wurde hashtagisiert: #Whitewashing und #Brownshaming markierten Twitter-Stehsätze in der digitalen Empörung, die natürlich von den alten Medien aufgenommen wurde, im ewigen Wettbewerb um die heißen Themen, die vielleicht welche sein könnten, vielleicht aber auch nicht.

Denn Proyas' hässlich animierte Fantasiewelt hat in keiner Weise auch nur irgendetwas mit dem zu tun, was wir Wirklichkeit nennen. Sie macht mit rosshohen Skarabäen, Göttern, Monstern und einem scheibenförmigen Planeten, über den der Sonnengott Ra (Geoffrey Rush) den ihm überantworteten Feuerball schleppen muss, von Anfang an überdeutlich, dass all das reiner Mumpitz ist. Mumpitz zwar, der in der ägyptischen Mythologie wildert, aber eben auch einer, der sich unbedingt fantastisch deutet und verhält.


Chaos regiert. Jetzt kann und soll und muss man vielleicht dennoch ethnische Diversifikation einfordern, allerdings eher von der Geld gebenden und machenden Industrie dahinter, die mit Steuerkrediten in Produktionsländern (in diesem Fall Australien, was bedeutet, dass Australier Hauptrollen übernehmen müssen) und der ewigen Gier nach kassenkräftigen Schauspielern (die vorwiegend weiß sind) das „Whitewashing“ selbst betreibt, dann aber schnell dabei ist, die Kreativmannschaft hinter den Filmen vor den Kadi zu zerren.

„Gods of Egypt“ ist aber nicht nur hinsichtlich seiner Repräsentationspolitik, sondern überhaupt aus der Zeit gefallen und brennt ein Feuerwerk an digitalen Effekten ab, das wirkt, als würde man in die Vorstellungswelt eines Kindes geworfen. Das Chaos regiert in pompös orchestrierten Vogelflügen durch Computerlandschaften, die bar jeder Textur vor einem liegen, während sich die hineingerechneten Menschenmassen gesichtslos und im Gleichschritt bewegen, bevor sie vor dem Götterpodium zum Ruhen kommen. Eigentlich sollte Horus (Nikolaj Coster-Waldau) vor dem Volk die Krone von seinem Vater Osiris aufgesetzt bekommen und fortan herrschen. Doch Königsbruder Set (Gerard Butler) meuchelt den Regenten, reißt seinem Neffen die göttlichen Augen aus dem Schädel und verbannt ihn in einen Tempel in der Wüste. Zeuge dieses grausamen Ränkespiels ist der gewitzte Bursche Bek (Brenton Thwaites), der aus Not zum Meisterdieb avanciert ist und sein Talent jetzt auch dafür verwenden soll, die Augen des Horus aus den bestens bewachten Schatzkammern von Set zu stehlen.

Mehr gibt es nicht zu wissen. Was folgt, ist ein Wüstenritt durch so gut wie alle Abenteuerfilmklischees, klein gehackt und zur deutlich überwürzten Spektakelwurst gepresst, die hinsichtlich ihrer Üppigkeit nur noch von den bebenden Dekolletés der Darstellerinnen übertroffen wird. Stellenweise ist man fast gerührt ob dieser so unbedarft und naiv vor sich hinplärrenden Schaubude, die dialogische Gemmen wie „Hat Set den Boden versalzen?“ – „Nein, meine Mutter mit ihren Tränen“, auf Riesenschlangen reitende Kriegerinnen und eine ernst gemeinte Liebesgeschichte miteinander vermählt.

Dann ist man kurz versucht, zu frohlocken, dass sich das Kino wieder traut, sich einem Traumkatalog zu widmen, der sich suhlt in blödem Exotismus und einen mit Schauwerten bewirft, dass man ganz taub wird von all dem Gedöns. Aber nur, bis man wieder einmal feststellt, dass das Kino für alle Fantasien da sein muss, die dunklen und gemeinen und prätentiösen und nihilistischen und überbordenden und wahnsinnigen und alle anderen. Und dass das, was dem Jahrmarktsfilm gegenwärtig fehlt, nicht das Bekenntnis zum Schund von vorgestern ist, sondern ganz einfach die guten Regisseure. Solche, denen man vertrauen kann.

White- washing

Geschichte. Die Praxis, schwarze, asiatische oder Latino-Rollen mit weißen Schauspielern zu besetzen, ist so alt wie die Filmindustrie selbst. In den 1930er-Jahren etwa spielten weiße Darsteller wie Bing Crosby und Shirley Temple mit schwarz geschminkten Gesichtern dunkelhäutige Charaktere. Noch in den 60ern spielte Mickey Rooney Audrey Hepburns japanischen Nachbarn.

Debatte. In den vergangenen Jahren flammte die Debatte wieder auf, nachdem einige namhafte Darsteller für Rollen eingesetzt wurden, die dem Setting zufolge eine andere Hautfarbe haben müssten: So spielte Emma Stone etwa in „Aloha“ eine Halb-Chinesin/Halb-Hawaiianerin. Besonders von Whitewashing betroffen waren zuletzt Bibelverfilmungen, darunter „Noah“ mit Russel Crowe und „Exodus: Götter und Könige“ mit Christian Bale als Moses. Sein Film wäre nie finanziert worden, hätte er gesagt: „Mein Hauptdarsteller ist Mohammed Soundso“, rechtfertigte Regisseur Ridley Scott seine Wahl.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2016)

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