Neuer Linklater-Film: Erwachsen werden wir dann später

Der 18-jährige Jake (Blake Jenner) ist am letzten Wochenende vor dem Semesterstart schwer beschäftigt: mit Baseball, Partys und Mädchen (Zoey Deutch).
Der 18-jährige Jake (Blake Jenner) ist am letzten Wochenende vor dem Semesterstart schwer beschäftigt: mit Baseball, Partys und Mädchen (Zoey Deutch).(c) Constantin Film
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Richard Linklater entlässt in seiner Komödie „Everybody Wants Some!!“ einen Haufen junger Männer im Jahr 1980 in die studentische Freiheit. Vergnüglich, belebend.

Ach, wie schön ist doch die Studentenzeit! Eine Zeit, in der der kindliche Leichtsinn noch nicht ganz von der Notwendigkeit, sich erwachsen zu verhalten, abgelöst wurde, in der man noch nichts erreicht haben muss, aber sicher sein kann, im Leben noch alles erreichen zu können! In diesem Gefühlsmodus spielt sich „Everybody Wants Some!!“ ab (die zwei Rufzeichen im Titel dürfen wohl auch als Zeichen jugendlicher Überschwänglichkeit gedeutet werden), der neueste Film von „Boyhood“-Regisseur Richard Linklater.

Als „spirituelle Fortsetzung“ seines Films „Dazed and Confused“ aus dem Jahr 1993, der gern mit dem Attribut kultig behängt wird (darin beleuchtete er die Partygewohnheiten und seltsamen Initiationsriten von Highschoolschülern der 1970er-Jahre, unter den Darstellern, damals weitgehend No Names, waren heute berühmte wie Matthew McConaughey und Ben Affleck), widmet er sich nun College-Anfängern im Jahr 1980. Er zeigt einen Haufen junger, durchtrainierter Männer, gerade mit der Schule fertig und an der Schwelle zum Studentenleben, an ihrem letzten Wochenende, bevor die Uni losgeht. Sie treffen Mädels, trinken, spielen und vertrödeln ihre Zeit – wie viel ihnen davon bleibt, zeigt immer wieder ein Countdown an, der die Stunden bis zum Semesterstart herunterzählt. Im Mittelpunkt steht Jake (Blake Jenner), der als talentierter Pitcher mit einem Baseballstipendium an einer texanischen Uni ankommt und im Mannschaftshaus Quartier bezieht.

Dass akademische oder sportliche Erfolge hier nicht alles sind, erfährt er schnell von seinen neuen Kollegen, deren Interesse vor allem der nächsten Party gilt. Bekanntschaften mit Mädchen werden vorwiegend über Tanzaufforderungen angebahnt, das Alkoholverbot im Haus wird im großen Stil missachtet. So formt sich zwischen Barbesuchen, Tischtennisduellen, Joints, Spielautomaten und Baseballtraining ein Team. Es ist ein Sich-Ausprobieren in den ersten Momenten unbeaufsichtigter Adoleszenz, ein Selbstfindungsprozess, heruntergebrochen auf die Wahl eines geeigneten Etablissements für den abendlichen Zeitvertreib – und die Auswahl ist variantenreich auf diesem Campus, reicht vom Punk-Club zur Cowboy-Bar; ein Trick Linklaters, um all die Musik, die er selbst 1980 gern hörte (darunter den titelgebenden Song von Van Halen), in den Film zu stecken.

Das Faszinierende im Gewöhnlichen

Wohl keiner hätte diesen Film besser machen können als Linklater, ein Meister der liebevollen Beobachtung, auch ein Meister des Coming-of-Age-Films – weil er die Dinge, die junge Menschen beschäftigen, nicht überhöht, dramatisiert, und seine Protagonisten nicht zu Helden außergewöhnlicher Geschichten macht, sondern weil er das Faszinierende im Gewöhnlichen findet, weil seine Charaktere vielschichtig, sympathisch, manchmal etwas skurril sind – aber immer im Spektrum des Normalen liegen.

Sie dürfen auch Dinge sagen, die dumm oder banal sind oder nirgends hinführen – wie im echten Leben. Und am Ende wehren sie nicht alles Üble ab, meistern nicht jede Aufgabe, sondern finden Akzeptanz. Trotz und manchmal gerade wegen ihrer Macken.

Macken gibt es übrigens genug in diesem Käfig schräger Vögel. Da ist zum Beispiel der Heißläufer, der sich über einen falsch zubereiteten Cocktail so aufregt, dass er eine Rauferei mit dem Barkeeper beginnt und letztendlich das ganze Team aus der Bar geworfen wird. Da ist der redselige Aufreißer, der Mädchen gern unglaubliche Geschichten auftischt („Ich studiere Cunnilinguistik“).

Oder der ehrgeizige Typ mit dem schönsten Schnauzer des ganzen Teams, der schlecht im Verlieren ist und einen fliegenden Baseball mit der Axt in zwei saubere Hälften teilen kann.

Ein typisches Porträt der 1980er-Jahre ist „Everybody Wants Some!!“ übrigens nicht (auch wenn er so beworben wird). Das liegt zum einen an der Genauigkeit, mit der Linklater seinen Film anlegt: 1980 trug man vielleicht die Haare etwas kürzer als im vorangegangenen Jahrzehnt, doch die klassischen Achtziger – mit Dauerwelle und Neonleggings – waren noch nicht da. Zum anderen spielt sich das College-Leben dieser Burschen in einer Welt ab, in der aktuelle (gesellschafts-)politische Entwicklungen komplett ausgeblendet sind. Jake und sein Team verschwenden keinen Gedanken ans Draußen oder an die Zukunft. Auch keinen ans Erwachsenwerden – vielleicht ist es das, was diesen Film über das Erwachsenwerden so reizvoll macht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2016)

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