„Nur wir drei gemeinsam“: Es gibt ein Leben nach der Flucht

Resignieren? Niemals! Fereshteh, Hitab und Sohn Kheiron beim Neuanfang in Frankreich.
Resignieren? Niemals! Fereshteh, Hitab und Sohn Kheiron beim Neuanfang in Frankreich. (c) Roxane B./Webistan
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Im fabelhaften Film „Nur wir drei gemeinsam“ erzählt der Komiker Kheiron die Geschichte seiner aus dem Iran geflüchteten Eltern: ein Mutmacher in Sachen Integration.

Es beginnt in einem iranischen Gefängnis und endet im französischen Département Seine-Saint-Denis. Saint-Denis heißt auch die Gemeinde nahe Paris, die berüchtigt für ihre Islamistenszene ist und bei den Attentaten vom November 2015 eine Rolle spielte. Nicht von Islamisten handelt allerdings dieser Film, sondern von einer vor ihnen geflüchteten Familie – der Familie des iranischen Juristen Hibat Tabib. Diesen gibt es wirklich. Es ist der Vater des Komikers Kheiron Tabib, der in „Nur wir drei gemeinsam“ (Original: „Nous trois ou rien“) seine hochinteressante Familiengeschichte erzählt und den Eltern ein Denkmal setzt: mit schön-schlichten Bildern und einem Tonfall, der das Traurige und Leichtfüßige bravourös ausbalanciert. Das wurde schon in Frankreich belohnt, mit besten Kritiken und fast einer drei viertel Million Kinobesuchern.

Ein Kuchenstück mit Folgen

Sieben Jahre sitzt der Jus-Student und Kommunist Hibat in einem iranischen Gefängnis, weil er gegen den Schah Mohammad Reza Pahlavi politisch aktiv war. Eine Zeit, die der Film mit an Roberto Benignis „Das Leben ist schön“ erinnernden Szenen auflockert; da gibt es kuriose Charaktere und kuriose Szenen wie die Kuchen-Zwangsverteilung anlässlich des Geburtstags des Schahs, bei der sich Hibat weigert, sein Stück Kuchen zu essen. Die Strafe ist freilich nicht lustig, sondern fürchterlich. Den Shah selbst porträtiert der Film als vertrottelte Witzfigur.

Wieder frei, trifft Hibat auf seine große Liebe, in Form der mit Leïla Bekhti wunderbar besetzten Fereshteh. Sie fügt sich zwar den (politischen) Aktivitäten ihres Mannes, hat aber in Wahrheit die Hosen an. So entscheidet sie nach der Revolution 1979 und der Machtübernahme von Ayatollah Khomeini auch kurzerhand, dass ihr Mann die nötige Flucht nach Frankreich nicht ohne sie und den wenige Monate alten Sohn antreten wird. Berührend lässt der Film Beziehungen spürbar werden – beim Wiedersehen von Hitab und Fereshteh nach ihrer getrennten Flucht über die verschneiten Berge, oder am Telefon, als Fereshteh ihren Vater anruft, um ihm zu vermitteln, dass sie in Sicherheit ist, aber das „Gespräch“ nur aus Schweigen und verhaltenem Schluchzen besteht. Die Kamera fängt die Ergriffenheit durch das Mienenspiel der beiden ein – eine rare Kinoszene.

Nach einem Jahr Zwischenstation in der Türkei dann die Endstation, Frankreich: „Nur wir drei gemeinsam“ zeigt, ohne je schönfärberisch zu erscheinen, wie das Paar den harten Anfang mit beeindruckendem Lebensmut bewältigt. Bald beginnen sich die zwei zu engagieren, sie als Beraterin von Migrantinnen und Gründerinnen einer Frauenorganisation, er als Mediator in einem typischen Problemviertel. Hibats ungewöhnliche Ideen werden honoriert, er wird zum weithin gefragten Berater. „Nur wir drei gemeinsam“ endet mit der Verleihung der Légion d'honneur, einem der wichtigsten französischen Verdienstorden, an Hibat.

Der Sohn, Kheiron, wiederum – das erzählt der Film nicht mehr – entdeckt Jahre später seine ganz eigene Begabung: Er kann andere zum Lachen bringen. Der Film zeigt: zum Weinen auch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2016)

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