„Wiener-Dog“: Dieser Dackel macht alles Leid erträglicher

Der Dackel verbindet die Geschichten: Hier ist er bei der Tierärztin Dawn Wiener (Greta Gerwig).
Der Dackel verbindet die Geschichten: Hier ist er bei der Tierärztin Dawn Wiener (Greta Gerwig).(c) Thimfilm
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Kein Hundemärchen: Todd Solondz erzählt in „Wiener-Dog“ mit viel Empathie (doch wenig Gnade) von Menschen, die rettungslos in ihrer Einsamkeit gefangen sind.

Ein kleiner Junge tollt mit seinem Dackel auf dem Sofa herum, reißt selbstvergessen die Kissenbezüge auf, es regnet Daunen in Zeitlupe. Doch der ekstatische Freudentaumel kann die Wirklichkeit nur kurz auf Abstand halten: Der Junge hat Krebs, und sein Hund wird ihm bald wieder weggenommen, weil er nicht stubenrein ist. Die Grausamkeit des Daseins lässt in den Filmen von Todd Solondz nie lang auf sich warten. Glücksmomente platzen darin meist wie Seifenblasen – sofern es überhaupt welche gibt.

Solondz wurde in den Neunzigern mit Tragikomödien bekannt, bei denen man eigentlich nur lachen muss, weil man sie anders nicht ertragen könnte. Sein Durchbruchsfilm „Welcome to the Dollhouse“, in dem eine ungeliebte Mittelschulaußenseiterin vergeblich versucht, gegen die Zumutungen des Alltags anzukämpfen, ist ein emotionaler Spießrutenlauf ohne Licht am Ende des Tunnels. Nicht viel rosiger geht es den Figuren in seiner vielleicht besten Arbeit, „Happiness“, das die amerikanische Mittelschicht als Brutstätte toxischer Neurosen und verkorkster Existenzen porträtiert und dabei auch vor Tabuthemen wie Pädophilie nicht zurückschreckt. Hiermit also ein Warnsignal für alle, die hinter Solondz' neuestem Werk, „Wiener-Dog“, ein bissiges, aber herzerwärmendes Hundemärchen vermuten (was einem das Marketing durchaus nahelegt): An der finsteren Weltsicht des Regisseurs hat sich nur wenig geändert.

Klar: Ein süßer brauner Dackel macht alles erträglicher. Auch einen Episodenfilm über Menschen, die rettungslos in ihrer Einsamkeit gefangen sind. Der Titel bezieht sich einerseits auf das possierliche (und auch ein bisschen traurige) Tier, das von Besitzer zu Besitzer weitergereicht wird und somit als Bindeglied zwischen den einzelnen Geschichten fungiert, aber zugleich rekurriert er auf „Welcome to the Dollhouse“: Wiener-Dog, so wurde dessen Hauptfigur, Dawn Wiener, von ihren Mitschülern beschimpft. Solondz spielt gern mit Intertextualität: Hier belebt er Dawn für eine Episode wieder, nachdem er sie in einer bitteren Randnotiz seines Films „Palindromes“ Selbstmord begehen ließ. Diesmal wird sie von Greta Gerwig gespielt, als kleinmütige Tierärztin, die das Hündchen vor der Einschläferung rettet. Vielleicht als Entschädigung für ihre vergangenen Schicksalsverläufe gewährt Solondz ihr einen Hoffnungsschimmer: Die Zufallsbegegnung mit einem ihrer ehemaligen Pausenhofpeiniger wendet sich ins (beinahe) Romantische.

Skurrile Stilschnörkel

Doch das ist auch schon das einzige Kapitel, das Gnade walten lässt. Der Unglücksreigen macht bei einem verbrauchten Uniprofessor namens Schmerz (Danny DeVito) halt, dessen veraltete Lehrmethoden ihn zur Lachnummer an der Filmhochschule machen. Später geht es um eine alte Dame, deren Enkelin sie nur noch besucht, um sich Geld von ihr zu leihen. Wenn Humor entsteht, dann aus der trockenen Art der Inszenierung. Überdies ist „Wiener-Dog“ gespickt mit skurrilen Stilschnörkeln: Eine Figur bekommt im Traum Besuch von Personifizierungen ihrer vertanen Chancen, zwischendurch wird unvermittelt ein „Ghost Riders in the Sky“ nachempfundener Countrysong über die Reise des Titelhundes eingespielt. Solondz wird oft Zynismus vorgeworfen. Zu Unrecht: Er macht sich nie über seine Protagonisten lustig. Im Grunde zeugt schon der bloße Umstand, dass er sich diesen deprimierenden Realitäten widmet, von großer Empathie. Auch seine neuen Erzählungen werden wohl niemanden kaltlassen, der sich irgendwann allein gefühlt hat – obwohl sie letztlich zu kurz, skizzenhaft ausfallen, um wirklich an Tiefe zu gewinnen. Am Ende bleibt eine recht simple Erkenntnis: Das Leben ist ein Hund.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2016)

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