"Störche": Designer-Babys aus der Fabrik

(C) Warner
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Ein einsamer Bub und ein erfinderisches Mädchen: „Störche – Abenteuer im Anflug“ ist eine nette Geschichte für Kinder – die Erwachsenen zu denken geben sollte.

Mama, Papa, ich habe mich entschieden, ich möchte einen Babybruder“, sagt der kleine Nate. Die Eltern hören kaum zu, sie sind Immobilienmakler mit Homeoffice. Nate widmet sich Ninja-Spielen. Die ganze Familie lebt somit in einer Art virtuellen Welt. „Störche – Abenteuer im Anflug“ heißt der neueste Animationsfilm aus der Warner-Fabrik. Er ist geistreicher als der wie üblich fantasielose deutsche Titel vermuten lässt. Nach Pannen in der Babyzustellung hat sich der Oberstorch entschlossen, einen Versandhandel für allerlei Güter zu etablieren, dieser läuft hervorragend, sein Sohn Junior soll den Konzern nun übernehmen. Aber da ist noch dieses übrig gebliebene Waisenmädchen aus dem alten Babyversand, das eine gewisse Narrenfreiheit genießt und sie weidlich ausnützt – mit explosiven Erfindungen. Und dann gibt es eine Panne. Durch ein Versehen wird die alte Babyfabrik hochgefahren, und jetzt sitzt es da, das süße Kleine mit seinen Kulleraugen. Wäre nicht Nate, dessen Brief mittlerweile bei den Störchen eingelangt ist, der ideale Abnehmer für den Winzling? Storch Junior und Waise Tulip starten zu einer abenteuerlichen Expedition. Regie beim Storchfilm führte Nicholas Stoller, der auch das Drehbuch schrieb, zur Hand ging dem „Muppets Most Wanted“-Macher Doug Sweetland, verantwortlich für die schneidigen „Cars“.

„Störche“ bietet eine Einführung in Kapitalismuskritik (Widerling Oberstorch, ein Bulle wie Donald T.); der Film lehrt ferner, wie der Workaholic sein Privatleben gestalten kann (Nates Eltern machen Pause von Real Estate und bauen mit ihrem Buben ihr eigenes Haus um); und der Zuschauer erfährt von den Überraschungen, die einem jungen Paar mit einem Baby bevorstehen („Ich steh auf, nein ich, ja du!“, Dialoge zwischen Junior und Tulip angesichts eines nachts putzmunteren Kleinkinds).

Storchen-Biss ins Bein statt Sex

An Special Effects wird nicht gespart, dazu gehört das innovative Alleskönnerfahrzeug von Tulip ebenso wie das Wolfsrudel, das jede beliebige Gestalt annehmen kann, oder der bildmächtige Showdown am Ende. Und es gibt außer dem Babygirl noch jede Menge weitere Babys, weiße, schwarze, gelbe und rote, blonde, dunkel- und sogar violetthaarige, alle gleich „designed“, alle gleich süß. Gegen diese entzückenden Geschöpfe kann sich keiner wehren, ihr Glucksen und Lachen erweicht granitene Herzen – und muntert das Kinopublikum in Zeiten auf, in denen gerade viele Kinder nichts zu lachen haben.

Woher kommt nun die Idee, dass der Storch die Mütter ins Bein beißt und die Babys bringt (ein gern gebrauchtes Motiv: Auch Elefant Dumbo mit den Fliegerohren wird von Meister Adebar – das Wort kommt von Gebären – angeliefert)? Theorien gibt es verschiedene, Störche verschwanden im Winter nach Afrika (oder ins Babyland?). Sie halten sich gern im Lebenselixier Wasser auf, in dem ja auch Babys schwimmen. Das stärkste Argument für den Storch ist allerdings das Tabuisieren von Sexualität. Statt über den Geschlechtsakt zu sprechen, erzählte man früher Kindern gern vom Klapperstorch. Heute sind hoffentlich alle aufgeklärt, wie der Nachwuchs zustande kommt. Wenn nicht, bietet „Störche“ hier keine Amtshilfe für scheue Eltern, denn die Babys kommen aus einer Fabrik, was wiederum an die nahezu allmächtige Reproduktionsmedizin erinnert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2016)

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