„Café Society“: Verschenktes Glück in Woody Allens Amerika

Jesse Eisenberg als Hollywood-Neuling auf der Suche nach dem Glück (und als Woody Allens jugendliches Alter Ego), Kristen Stewart als seine Geliebte.
Jesse Eisenberg als Hollywood-Neuling auf der Suche nach dem Glück (und als Woody Allens jugendliches Alter Ego), Kristen Stewart als seine Geliebte.(c) Warner
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Nihilismus und Romantik: In „Café Society“ verknüpft der Meister aus Brooklyn wieder die beiden Pole seines Spätwerks – zu einem melancholischen Liebesreigen, der im alten Hollywood spielt. Ab Freitag im Kino.

Jüngere Woody-Allen-Filme bewegen sich zwischen zwei Extremen. Auf der einen Seite steht Allen, der Nihilist: In „Match Point“, „Blue Jasmine“ und „Irrational Man“ zeichnet er abgründig-absurde Menschen- und Weltbilder, die moralische Grundsatzfragen mit einem Achselzucken quittieren. Dagegen gönnt sich Allen, der Romantiker, eine schwelgerische „Midnight in Paris“ oder verfällt dem Bann von „Magic in the Moonlight“: Wenn alles eitel ist, bleibt nur noch eitel Wonne.

Die größten Hits aus Allens Spätwerk gehören in eine dieser beiden Kategorien. Versucht er, sie zu verknüpfen, wird das Ergebnis für gewöhnlich als ungelenke Promenadenmischung abgestempelt. Dabei gehören diese Frankensteinfilme oft zu seinen gelungensten Werken: Nihilismus und Romantik kippen für sich genommen leicht in Banalität und Kitsch, doch ihre Paarung zeitigt anrührende Melancholie. „Café Society“, Allens 47. Langfilm, ist dafür ein gutes Beispiel.

Auf den ersten Blick erfüllt er alle Kriterien eines romantischen Nostalgietrips – und bis zu einem gewissen Grad ist er das auch. Als verklärter Sehnsuchtsschauplatz (der Film beginnt bezeichnenderweise mit einer altmodischen Iris-Aufblende) fungiert diesmal Hollywoods Glitz-and-Glamour-Gesellschaft der 1930er-Jahre. Der ehrgeizige jüdische Jungspund Bobby Dorfman (Jesse Eisenberg) flüchtet vor einer drögen Zukunft aus der Bronx nach Los Angeles. Dort hat sein Onkel Phil (überzeugend zurückhaltend: Komiker Steve Carell) als Schauspielagent Karriere gemacht und hetzt zwischen extravaganten Cocktailpartys und launischen Klienten hin und her. Nach anfänglichen Kontaktschwierigkeiten bietet er seinem Neffen einen Assistentenjob und gewährt ihm so Zutritt zur Salonkultur der Traumfabrik – doch dieser hat nur Augen für Phils bodenständige Sekretärin Vonnie (Kristen Stewart).

Jazzgedudel und Neurosen-Pingpong

Zuerst plätschert der Film locker dahin, untermalt von entspanntem Jazzgedudel und der gleichmütigen Erzählstimme des Regisseurs. Die Komik wirkt eher altbacken: Szenen wie das Neurosen-Pingpong von Bobbys missglücktem Techtelmechtel mit einer unerfahrenen Prostituierten bieten Eisenberg primär eine Plattform für müde Allen-Imitationen, aber die Augenzuckerglasur des Meisterkameramanns Vittorio Storaro („Apocalypse Now“), der jedem Bild einen betörenden Goldanstrich verpasst, sorgt im Verbund mit den gediegenen Luxusschauwerten von Kostüm, Ausstattung und hübschen Los-Angeles-Kulissen für einen angenehmen Abgang.

Wirklich zum Leben erwacht „Café Society“ erst im Zuge der zentralen Beziehungsauslotung (Date- und Flirtszenarien bilden hier einen Schwerpunkt). Im Abendsonnenabglanz alter Filmpaläste und prunkvoller Star-Villen kommen sich Bobby und Vonnie näher, und man sieht ihnen gern dabei zu. Eisenberg besticht besonders zu Beginn als tapsig-charmanter Schwerenöter mit provokant flatternden Augenbrauen. Später, als sich das Verhältnis verkompliziert, rückt Stewarts nuancierte Performance in den Vordergrund und bestätigt ihren Status als Königin filmischer Zerknirschtheit – von ihrem „Twilight“-Image hat sie sich endgültig abgesetzt.

Etwa zur selben Zeit beginnt Allens zynische Seite, das allzu süßliche Geschehen zu unterlaufen und führt schließlich dazu, dass Bobby zurück nach New York geht, um dort als Nachtclubbesitzer in die titelgebende Nobelhalbwelt einzusteigen. Den fliegenden Wechsel verdankt er seinem Bruder Ben (Corey Stoll), einem skrupellosen Gangster. Dessen Aufstieg und Fall wird parallel zu Bobbys Eskapaden skizziert – ganz nonchalant, als würde man ein Daumenkino durch die Finger gleiten lassen. In einer kleinen Nebenhandlung etwa „hilft“ er seiner Schwester und ihrem schwachbrüstigen intellektuellen Gatten, indem er einen nervigen Nachbarn für sie beseitigt – was klarerweise (ganz wie in „Verbrechen und andere Kleinigkeiten“) existenzielle Gewissenskrisen vom Zaun bricht.

Solche bitterbösen Randnotizen mögen wie unnötiges Beiwerk anmuten, doch sie verleihen der Erzählung eine saure Note („Das Leben ist das Werk eines sadistischen Komödianten“, heißt es einmal), die ihren romantischen Kern paradoxerweise umso stärker hervortreten lässt. Gerade im Bewusstsein der Absurdität der menschlichen Existenz erscheint Bobbys hartnäckige Liebe zu Vonnie als sinngebender Ankerpunkt, und ihre Begegnungen in der zweiten Hälfte des Films haben aus diesem Grund deutlich mehr Gewicht. Und wie in Allens eindringlichsten Arbeiten liegt am Ende das dumpfe Gefühl verpasster Chancen und verschenkten Glücks in der Luft. Das Begehren der beiden Hauptfiguren kreuzt sich zuletzt in einer Überblendung – eine der simpelsten und schönsten formalen Gesten, die Allen seit Langem gesetzt hat. Manchmal ist es eben gerade seine unerträgliche Leichtigkeit, die einem pointierten Kinomoment die nötige Schwere verleiht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2016)

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