Nicht nur im Advent: Feiern ist kein Spaß!

Diese Weihnachtsfeier muss ein Erfolg werden! Für den Abteilungsleiter Clay (T. J. Miller) steht sein Job auf dem Spiel.
Diese Weihnachtsfeier muss ein Erfolg werden! Für den Abteilungsleiter Clay (T. J. Miller) steht sein Job auf dem Spiel.(c) Constantin Film
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„Wer nicht feiert, wird gefeuert“, lautet der Untertitel der Adventklamotte „Office Christmas Party“. Sie fügt sich in eine Reihe von US-Komödien, in denen Ausschweifung nicht nur Vergnügen ist – sondern eine Prüfung, die es zu bestehen gilt.

Eine richtig gute Party ist immer auch eine kleine Revolution. Nicht nur, weil sie die Nachbarn in den Wahnsinn treibt, sondern auch aufgrund ihres strukturzersetzenden Charakters: Affekte werden von den Leinen gelassen, Rollenbilder suspendiert, Autoritäten hinterfragt. Das wusste schon der sowjetische Kunst- und Kulturtheoretiker Michail Bachtin. In seinen Hauptwerken markierte er den mittelalterlichen Karneval als Keimzelle subversiver Kräfte, bei dem ganz buchstäblich über die Stränge geschlagen und an bestehenden Hierarchien gerüttelt wurde. Zwar hatte der temporäre Tabubruch auch eine systemstabilisierende Ventilfunktion, aber ohne ihn blieben die Bruchlinien im Sozialgemäuer unsichtbar.

Doch das Mittelalter ist lang her, und spätestens seit Adornos Diktum „Fun ist ein Stahlbad“ weiß man, dass Exzess reaktionär sein kann – wenn er Amüsement in eine Arbeitsverlängerung verwandelt und nichts anderem mehr dient als der Mobilisierung von Produktivkräften für den kommenden Werktag. Das moderne Macher-Mantra „Work Hard, Play Hard“ zeugt von diesem Schulterschluss zwischen Spaß- und Leistungsgesellschaft, und seine Ideologie macht sich in den vergangenen Jahren ausgerechnet an einem altgedienten Hort der Sinnverweigerung bemerkbar – der US-Komödie.

Bootcamp der Besinnungslosigkeit

Während die titelgebende Soiree in Blake Edwards' „Partyschreck“ (1968) zu einer feucht-fröhlichen Anarcho-Performance eskalierte, dessen ungehemmtes Chaos reiner Selbstzweck war, hat man bei zeitgenössischen Filmfeten oft das Gefühl, in einem Bootcamp der Besinnungslosigkeit gelandet zu sein. Immer wieder sieht man dieselbe Szene: Menschen marschieren in Zeitlupe Richtung Party, als wären sie ein Einsatztrupp in einem Actionfilm, im Hintergrund pulsiert Rock oder Hip-Hop. Das ist witzig, weil es die Genres durcheinanderbringt, aber an Freizeit und Entspannung denkt bei diesen Bildern keiner. Und wenn sich die Figuren daraufhin um die Wette vergnügen, gerät das Fest selbst zum Handlungskatalysator, der Charakter bildet und Probleme löst – Ausschweifung als Management-Tool.

Ein gutes Beispiel: „Office Christmas Party“ (immerhin weiß man bei diesem Titel genau, was man kriegt). In der Adventklamotte von Josh Gordon und Will Speck wird Feierlaune zu einer Frage von Leben und Tod – bezeichnenderweise lautet der deutsche Untertitel „Wer nicht feiert, wird gefeuert“. Dem hemdsärmeligen Chef eines Technologiefirmenzweigs (T. J. Miller) droht die Schließung seiner Abteilung. Sollten sich die Zahlen nicht bessern, macht seine Schwester und Vorgesetzte (Jennifer Aniston) den Laden dicht. Also plant er mit seinem bodenständigen Berater (Jason Bateman) und einer findigen IT-Expertin (Olivia Munn), die anstehende Büroweihnachtsfeier als Werbeevent für einen großen Investor zu nutzen. Dass die Sache aus dem Ruder läuft, versteht sich von selbst.

Der Alkohol fließt in Strömen, aus Versehen landet Kokain in der Kunstschneemaschine, und irgendwann mutiert der biedere Budenzauber zu einer extravaganten Orgie: Wilde Kopulation in den WC-Kabinen, Ritterturniere mit brennenden Christbäumen, Tanzekstase zwischen den Arbeitsnischen. Aber diese Dekadenzmomente hängen wie Lametta auf dem Plotgerüst des Films, dem es vordringlich darum geht, seine unterschiedlichen Erzählstränge zu schönen Schleifen zu binden. Die verklemmte Sittenwächterin, der ständig Spannungspupser entweichen (Kate McKinnon), muss lernen, sich gehen zu lassen. Der schüchterne Computernerd (Karan Soni) muss seinen Mann stehen. Das ungleiche Geschwisterpaar muss sich versöhnen. Schließlich steht Heiligabend unmittelbar vor der Tür, und da darf der Haussegen nicht schief hängen – also wird die Party zum Teambuilding-Seminar, inklusive eines Abenteuerausflugs in wilde Stadtgefilde. Dass man trotzdem gern zusieht, liegt vor allem am überaus spielfreudigen Ensemble, das sich vorwiegend aus erfahrenen Fernsehkomikern zusammensetzt und viel improvisieren darf; zumindest in seiner bunten Darstellerpalette kann man „Office Christmas Party“ als „ausgelassen“ bezeichnen. Sonst bleibt der Film leider bloß scheinexzessiv: Er behält stets im Hinterkopf, dass der Rausch irgendwann verfliegen wird. Und am nächsten Morgen müssen alle wieder in die Arbeit.

Das Hollywood-Exzess-Schema

Eskalationskomödien. Es ist ein beliebtes Thema für US-Komödien: der Exzess nicht als Ventil für Lust und Freude, sondern als eine Art Leistung, die es zu erbringen gilt. Berühmtestes Beispiel ist die „Hangover“-Trilogie (ab 2009), auch die Teenager-Partykomödie „Project X“ (2012) und die beiden „Bad Neighbors“-Filme (2014, 2016) spielen mit dem Motiv und enthalten ähnlich aufgebaute Szenen. „Office Christmas Party“ ist ab jetzt im Kino.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2016)

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