Kinderfilm „Sing“: Schweine in der Castingshow

Der flotte Eber Gunter (l.) lässt Schweinchenmutter Rosita ihre 25 Ferkel fast vergessen.
Der flotte Eber Gunter (l.) lässt Schweinchenmutter Rosita ihre 25 Ferkel fast vergessen.(c) Universal Pictures
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„Sing“ von Garth Jennings widmet sich mit Charme einem nicht mehr ganz taufrischen Thema – und zelebriert den längst brüchig gewordenen amerikanischen Traum.

Koalabär Buster Moon hat von seinem Vater ein altes Theater geschenkt bekommen, in dem er Shows produziert. Dabei hilft ihm eine 200 Jahre alte Eidechse mit Glasauge, die leicht chaotisch und zerstreut ist, und sein Freund Eddie, Spross einer reichen Familie. Eddies Eltern weigern sich allerdings zunehmend, Busters erfolglose Ich-AG zu unterstützen. Dieser unternimmt einen letzten Versuch, seine Bühne zu retten – mit einer Castingshow.

Scharenweise strömen die Tiere herbei, um sich anzumelden. Nur wenige werden aufgenommen: Zum Beispiel Schweinchen Rosita, bisher aufopfernde Mutter von 25 Ferkeln, oder Gorilla Johnny, dessen krimineller Vater seinen Sohn für ein Weichei hält und erwartet, dass er bei Überfällen der Gang wenigstens den Chauffeur spielt.

Die erst 2007 gegründete Firma Illumination Entertainment – die gewitzt zwischen origineller und Mainstream-Animation balanciert – hat „Sing“ produziert. Man bediente sich teilweise bei eigenen Vorprodukten wie dem Guter-Onkel-böser-Onkel-Spiel „Ich – Einfach unverbesserlich“, den daraus hervorgegangenen „Minions“ sowie „Pets“ über Haustiere, die tagsüber allein in der Wohnung sind und allerhand anstellen.

Der neue Film „Sing“ zehrt – wie es auch Hits wie „Ice Age“, „Madagascar“ oder „Zoomania“ tun – von einem uralten Genre, dem Anthropomorphismus, bekannt etwa von Aesops Fabeln, Grimms Märchen oder Goethes „Reineke Fuchs“. Zu meist lehrreichen Zwecken werden Tiere mit menschlichen Eigenschaften ausgestattet. Die diesbezügliche Bandbreite bei „Sing“ ist beträchtlich. Da ist die Maus, die als Straßenmusiker eine kleine Spende zurückweist und den Geber dazu zwingt, seine Taschen auszuleeren. Da ist aber auch der schüchterne Elefanten-Teenie mit der tollen Bluesstimme – die im Lampenfieber oft versagt. Koala Buster ist quasi gegen seinen Tiertypus besetzt. Der hyperaktive Prinzipal hat mit seinem dauerschlafenden und -fressenden Original aber schon gar nichts gemeinsam. Die Musik ist das Witzigste an diesem Film, die Collage bietet für jedes Alter etwas, Songs von Frank Sinatra, Stevie Wonder, David Bowie, Lady Gaga oder Katy Perry. Insgesamt erklingen hier 65 Coverversionen weltbekannter Lieder.

Freche Maus und russische Bären

Psychologisch vielgestaltig sind auch die Beziehungen; vom Stachelschwein-Mädchen Ash, das nicht begreift, dass sie die Begabte und ihr Freund Lance ein unmusikalischer, arroganter Macho ist – bis zur reichen Oma Nana, ehemals berühmte Operndiva, die sich zunächst weigert, den Nachwuchs zu unterstützen. Es gibt viel zu lachen, zu weinen, und man kann sich an Erlebnisse aus der eigenen Kindheit erinnern – wie und warum man wurde, was man ist. Die Tugenden, die hier gefeiert werden, stehen heute auf dem Prüfstand, nicht nur in Amerika: Lass dich niemals unterkriegen, steh immer wieder auf, und wirf dich mit unerschütterlicher Begeisterung ins nächste Abenteuer.

Die Stimmen von Scarlett Johansson, Reese Witherspoon und Matthew McConaughey sind in der US-Fassung zu hören. In der deutschen Version sprechen etwa Katharina Thalbach, Stefanie Kloß (Silbermond) sowie die Moderatoren Klaas Heufer-Umlauf („Circus HalliGalli“) und Daniel Hartwich („Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“). Ein Hauch von „James Bond“ schwebt über die Leinwand, wenn der freche Mäuserich Mike seine Herzensdame ins Tanzetablissement ausführt und dort eine böse Berufsspieler-Truppe herausfordert – die aus russischen Bären besteht. So sind inzwischen auch im Animationsfilm die Kalte-Krieg-Klischees wiederhergestellt. Trotzdem: Ein netter Film.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2016)

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