„Assassin's Creed“: Schall, Rauch, Game over

 Der Mörder Callum (Michael Fassbender, links) wird von einem alten Orden auf mentale Zeitreisen geschickt.
Der Mörder Callum (Michael Fassbender, links) wird von einem alten Orden auf mentale Zeitreisen geschickt.(c) 20th Century Fox
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Videospielverfilmungen gelingen selten, oft bleiben sie banal. Regisseur Justin Kurzel versucht sein Glück nun, indem er „Assassin's Creed“ zum Duell der Urprinzipien hochstilisiert – so bedeutungsschwer, wie er tut, ist sein Film aber gar nicht.

Seit Langem wird behauptet, Videospiele würden immer „filmischer“ werden: Besonders die großen Triple-A-Titel – so nennt man die Blockbuster der Gaming-Industrie – setzen verstärkt auf ausgeklügelte Figurenzeichnung und Dramaturgie. Zugleich versuchen sie, mit vom Spieler unabhängigen, minutiös durchinszenierten Spektakelsequenzen Eindruck zu schinden. Warum, fragt man sich, fällt es der Kinoindustrie dann immer noch so schwer, eine halbwegs passable Spieleverfilmung hinzubekommen? Also eine Adaption, die dem Geist eines Spiels (ja, den gibt es) gerecht wird und dennoch in der Lage ist, über die jeweilige Fankultur hinaus Begeisterung zu wecken?

Bislang lassen sich Videospielfilme grob gesagt in drei Kategorien einteilen: mehr oder weniger ulkiger Trash („Super Mario Bros.“, „Alone in the Dark“), Mythologie-Fetischismus für Kenner und Exegeten („Warcraft“) oder Action-Dutzendware, die den Markennamen ihrer Vorlage als Produktionsvorwand nutzt („Doom“, „Max Payne“). Letztere kann manchmal über sich selbst hinauswachsen – Paul W. S. Andersons alberne, aber verspielte und energiegeladene „Resident Evil“-Reihe wäre ein gutes Beispiel. Ganz selten gelingt das Kunststück, die atmosphärische Dichte einer immersiven Spielerfahrung einigermaßen adäquat auf die Leinwand zu übertragen, wie bei Christophe Gans' surrealer Version des Überlebenshorrorklassikers „Silent Hill“. Sie bleibt eine Ausnahme: Das Genre wird den Ruch des Banalen einfach nicht los.

Attentäter gegen Templerorden

„Assassin's Creed“ tritt an, um Abhilfe zu schaffen. Qualität und Seriosität lautet die Devise: Edelmimen (Michael Fassbender, Marion Cotillard, Jeremy Irons und Charlotte Rampling) sorgen für Oscar-Abglanz, der australische Arthaus-Regisseur Justin Kurzel, der zuletzt mit einer düsteren „Macbeth“-Verfilmung reüssierte, verspricht umsichtige Handhabung des Ausgangsmaterials. Doch das Ergebnis beweist: Auch aufwendiger Aufputz kann den Mangel an Vertrauen in die Stärken eines Spiels nicht kaschieren.

Die immens erfolgreiche Action-Adventure-Serie spielt zu einem großen Teil in der Vergangenheit: etwa während der Renaissance oder zur Zeit der amerikanischen und französischen Revolutionen. Als kapuzentragender Attentäter mit beachtlicher Sprungkraft kämpft man dort gegen einen uralten Templerorden. Hauptattraktion ist jedoch die Erkundung detailreicher historischer Wunderwelten, in denen man zuweilen auch auf Leute wie Leonardo da Vinci oder George Washington trifft. Und dann gibt es noch ein Sci-Fi-Element – allerdings schien dieses hauptsächlich der Überbrückung von Ladezeiten zu dienen und rückte von Spiel zu Spiel weiter in den Hintergrund. Der Film macht es zu seinem Ankerpunkt.

Der Mörder Callum Lynch (Fassbender, wieder mal ernster, als die Polizei erlaubt) erwacht nach seiner vorgetäuschten Hinrichtung im Hauptquartier des Großkonzerns Abstergo, der insgeheim von den Templern geleitet wird. Als Nachfahre eines legendären Assassinen wird er an ein Greifarmgerät geschnallt und auf mentale Zeitreisen geschickt, denn die Erinnerungen seines Vorfahren bergen das Geheimnis eines mystischen Artefakts mit Weltherrschaftspotenzial. Callums Mitgefangene planen einen Aufstand, doch er ist unsicher, auf welcher Seite er steht – womöglich, weil beide so charakterlos sind.

Kurzel versucht nämlich, den abstrusen und verworrenen Plot in mythische Dimensionen zu heben, indem er ihn zum Duell der Urprinzipien stilisiert: Ordnung gegen Chaos, Herrschaft gegen den freien Willen. Auf der einen Seite die faschistoiden Templer, die „Aggression ausmerzen“ wollen (was auch immer das heißt), auf der anderen die Attentätersekte mit ihrem Freigeisterslogan: „Nichts ist wahr, alles ist erlaubt.“ Hier die bleischwere Atmosphäre der Abstergo-Zentrale, die wirkt wie ein Sichtbeton-Bunkermuseum, dort die „Freiheit“ der (vom Schnitt zerstückelten) Action-Missionen im Spanien des 15. Jahrhunderts. Von Figuren kann nicht wirklich die Rede sein: Über Callum erfährt man so gut wie nichts – nur, dass er schon als BMX-begeisterter Bengel rebellisch veranlagt war. Er ist mehr Idee als Mensch, ebenso wie die zweifelnde Templer-Wissenschaftlerin Sophia, der Marion Cotillard vergeblich Leben einzuhauchen versucht.

Als wäre es ein Shakespeare-Stoff

Es gehört schon Mut dazu, einen Blockbuster so weit in die Abstraktion zu treiben. Aber das Konzept geht nicht auf: Die unzähligen ominösen Zufahrten auf finstere Gesichter, die Gespräche über Schicksal und Selbstbestimmung – all das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bedeutungsschwere bloße Behauptung ist. Besonders lächerlich wirken in diesem Kontext die melodramatischen Momente des Films. Kurzel inszeniert sie, als hätte er es immer noch mit einem Shakespeare-Stoff zu tun, doch die großen Themen liegen hier wie ein lähmender Dunst über dem Geschehen. Passenderweise versinkt „Assassin's Creed“ auch ästhetisch wiederholt im Nebel – und erweist sich zuletzt als Schall und Rauch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2017)

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