Neu im Kino: Gebt uns eine Gegenpäpstin

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Sönke Wortmanns Bestsellerverfilmung mit Johanna Wokalek hat die Kraft eines Schulfilms. Man lernt immerhin: Dummheit ist gar nicht mal so gut.

Fast – und zu Recht – vergessen ist ein ungelenkes filmisches Machwerk namens Pope Joan von 1972 über die Legende von der Frau, die Papst wurde. Es war die Ära der „Skandalfilme“ mit Sex, Stars und Religion (wie Ken Russells Die Teufel). Flankiert von Prominenz wie Maximilian Schell erduldete also ausgerechnet Bergman-Mimin Liv Ullman in der Titelrolle – auf Deutsch: Papst Johanna – mit kahl geschorenem Haupt und angemessener Leidensmiene eine unheilige Dreifaltigkeit aus „schockierender“ sexueller Hysterie, schnulziger romantischer Fantasie und sehr lebloser Trash-„Historie“. Pope Joan verschwand binnen Wochen aus den Kinos, obwohl man für den internationalen Markt die merkwürdige Rahmenhandlung (Pastorin Ullman hat in der Gegenwart Visionen von ihrem früheren Leben als Päpstin) entfernte. Aber beide Versionen werden von Die Päpstin, einer Neuauflage des Stoffs als internationaler Großfilm unter deutscher Federführung, noch locker unterboten.

Schon die Vorgeschichte des Projekts ist ein unseliges Kapitel. Volker Schlöndorff konzipierte es für Produzent Bernd Eichinger, der hatte wohl den Kassenerfolg seiner Süskind-Verfilmung Das Parfum im Kopf: Diesmal diente ein Roman von Donna Woolfolk Cross als Vorlage, in den Neunzigerjahren ein Bestseller in deutschen Landen. Doch Schlöndorff lehnte es ab, einen sogenannten „Amphibienfilm“ zu machen – eine Produktion, von der zugleich eine Fassung fürs Kino und eine noch längere als Hauptabend-Mehrteiler fürs Fernsehen entsteht: künstlerisch kompromittierend, befand Schlöndorff und wurde ausgebootet, samt seiner Päpstin in spe, Franka Potente.

Ein Kopf saust durch die Luft

Keine solchen Bedenken kannte Ersatzmann Sönke Wortmann. Für Die Päpstin kombinierte er schlankerhand den Stoff, aus dem seine Erfolgsfilme sind. Der philosophische Tiefgang von Der bewegte Mann, die inszenatorische Raffinesse von Deutschland – ein Sommermärchen und die kritische historische Perspektive von Das Wunder von Bern, angerührt zur zähen Zweieinhalbstunden-Melange mit der Kraft eines Schulfilms.

Den Titelpart spielt nun eine unterforderte Johanna Wokalek (sie schaut mal bedächtig, mal besorgt), die erst nach einer Stunde auftritt. Zwei Wokalek glaubhaft ähnliche Kinderdarstellerinnen dienen zuvor zur Illustration der Lektion dieses Films: Unterdrückung, insbesondere von Frauen, und Dummheit sind gar nicht mal so gut. Das vermittelt Wortmann sicherheitshalber auf einem Niveau, das auch der Dümmste begreift. Sein hereinbrechendes Hochmittelalter ist eine finstere Zeit, naiv geschildert. Wie ein Märchen soll's sein, wie eine TV-Serie wirkt's: unpassend überproduziert, mit gelegentlichen Schocks garniert (Vergewaltigung: eher angedeutet; Enthauptung: Kopf saust in hohem Bogen durch die Luft).

Kurz wird der Konflikt zwischen Glaube und Rationalität angerissen (vielleicht für den US-Markt: der Film wurde auf Englisch gedreht, heißt eigentlich auch Pope Joan, das Synchrondeutsch ist merklich). Aber der aufklärerische Geist der gebildeten, als Mönch getarnten Heldin erschöpft sich auf dem Weg übers Kloster nach Rom im Widerlegen unglaublicher Unvernunft: Schrumpft die Gebärmutter von Frauen, die zu viel lesen? Dieselben Klischees – zu jeder korrupten Vaterfigur gibt es eine verständnisvolle – werden vor verschiedenen Hintergründen variiert, zuletzt noch Liebeskitsch, einer Planschbecken-Empfängnis folgt das unvermeidliche tragische Ende, wobei sich die Heldin bemerkenswert irrational verhält.

Da sehnt man sich schon lang nach einer Gegenpäpstin. Vergeblich. Es tröstet John Goodman, der als Vorgänger auf dem Heiligen Stuhl tatsächlich von einem päpstlichen Geist beseelt scheint: Er hat zumindest als Einziger erkannt, dass man auf Teufel komm raus spielen sollte – und übertreiben, als wär's eine Komödie von Monty Python.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2009)

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