"Der Informant!": Ha! Den kennt ihr noch nicht!

Matt Daemon
Matt Daemon(c) AP (Claudette Barius)
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Steven Soderbergh klebt Matt Damon einen Schnauzbart an und schickt ihn als "Der Informant!" aus, dem Publikum die Magie des Kinos vor Augen zu führen. Eine handwerklich perfekt gezimmerte Korruptionskomödie.

Es gibt wenige Regisseure, die das aktuelle US-Autorenkino präziser versinnbildlichen als Steven Soderbergh. Der Sohn eines Erziehungswissenschaftlers liebäugelt immer wieder mit glatten Unterhaltungsvehikeln (wie Ocean's 11 bis 13), arbeitet sich aber vor allem an Hollywoods hürdenreichen Produktionsprozessen ab. Soll heißen: Herr Soderbergh gefällt sich als Rebell. Seine Figuren sind Antihelden, die gegen das System kämpfen, in dem sie leben.

Es ist nicht zu hoch gegriffen, in den Erin Brockovichs und Danny Oceans auch immer ein Stück weit Soderbergh selbst zu sehen: das Rädchen, das durchdreht; den Wunderwuzzi, der zurückschlägt. Der argentinische Guerillero – Soderberghs letzter Film war eine Biografie „Che“ Guevaras – spiegelt sich im amerikanischen Korporatisten: verrückt? Nein, nur das logische Ergebnis von Soderberghs inhaltlicher Konsequenz und stilistischem Eklektizismus.

Zeitgenössischer Stoff in die 70er bugsiert

Für die handwerklich perfekt gezimmerte Korruptionskomödie Der Informant! klebt er Matt Damon einen Schnauzbart an und lässt ihn als linientreuen Manager durch ein retroschickes Mittelstandsamerika – Soderbergh selbst führt die Kamera – spazieren, das die saubere und flächige Werbeästhetik der Siebzigerjahre perfekt inszeniert. Allein für die anachronistische Adaption des eigentlich zeitgenössischen Stoffs, der auf einem bekannten Sachbuch beruht, gebührt Soderbergh Respekt: Anstatt die Finanzwelt-Kernschmelze auszunutzen, führt Der Informant! – wiewohl es darin um heiße Themen wie Preisabsprache und Wirtschaftsethik geht – in eine fantastische Vergangenheit, wie sie sich nur das Kino erträumen kann.

Mark Whitacre (seriös: Matt Damon) ist einer der leistungsfähigsten Hengste im Managerstall von Archer Daniels Midland (ADM): Das Unternehmen verarbeitet Getreide und Pflanzenöle zu Industrieprodukten und Nahrungsmitteln. Whitacres Ehefrau ist es, die den Pragmatiker dazu bringt, die illegalen ADM-Preisabsprachen für den Futtermittel-Zusatzstoff Lysin an das FBI zu verraten. Agent Brian Shepard (famos: Scott Bakula) verspricht dem Mitschuldigen einen glimpflichen Ausgang, wenn er sich als Informant zur Verfügung stellt.

Die versteckte Kamera verdeckt

Soderberghs Clou und wohl die einzig vernünftige Erklärung für das Verlegen der Handlung – der tatsächliche Fall hat sich Anfang der 90er zugetragen – in die tiefsten Siebziger, ist der Wegfall von digitaltechnischem Firlefanz. Whitacre wird mit klumpigen Analog-Aufnahmegeräten, die er in seinem Aktenkoffer mitführen muss, ausgestattet: ein Umstand, der dem Regisseur einige umwerfend komische Sequenzen entlockt. Etwa wenn der Informant seine Vorgesetzten und die ausländischen Geschäftspartner in ein schäbiges Hotelzimmer locken muss, nur damit sich dann einer direkt vor der (versteckten) Kamera niederlässt.

Wer Soderbergh kennt, der weiß, dass der Film von da an nicht geradeaus ins Ziel läuft: Der Fall Whitacre fasziniert den Regisseur auch deshalb so, weil der amerikanische Mittelstandsmann/Informant mehrfach Haken schlägt. Soderbergh liebt solche Überraschungen. Als wolle er einem abgebrühten Publikum immer wieder aufs Neue die Magie des Kinos beweisen, als wolle er sagen: Ha! Diesen Trick kennt ihr noch nicht! Wie ein Magier bereitet er seine Aufführungen vor, lässt die Zuschauer warten, bevor er das Karnickel aus dem Zylinder zaubert.

Insofern ist auch die Spontaneität und Reaktionsfreudigkeit seines Kinos ein Tarnanzug: Das Leben von Mark Whitacre in Der Informant! ist ebenso choreografiert und orchestriert wie jenes von Guevara in Che. Soderbergh ist Innovator und Recycler, ist Rebellenführer und Geschäftsmann: Er verkauft Altwaren als Neuigkeiten, verkauft Hollywood seine Revolutionen. Das neue US-Autorenkino, dem er vorsteht, präsentiert sich nicht mehr aus einem Guss: Zerrissenheit und Ambivalenzen sind gut für das Image. Das passt in eine Zeit, in der ohnehin nichts mehr Sinn ergibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2009)

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