Avatar: Ein Action-Inferno für Pazifisten

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James Camerons Comeback: Sein Fantasyfilm ist ein technischer Triumph mit absehbarem Verlauf. Über eine Dekade dauerte es, bis Cameron die technischen Voraussetzungen für "Avatar" genügten.

Wird sich die Geschichte wiederholen? Vor über zehn Jahren veröffentlichte Terminator-Erfolgsregisseur James Cameron ein Großprojekt, dem man vorab prophezeit hatte, dass es an der Kassa absaufen würde: Aber Camerons Titanic wurde zum erfolgreichsten Film aller Zeiten – nach einer triumphalen Oscar-Nacht erklärte sich der Filmemacher gar zum „König der Welt“. Und legte eine Pause ein: Die Filmtechnik war Cameron noch nicht weit genug gediehen, um sein nächstes, noch größenwahnsinnigeres Traumprojekt angemessen umzusetzen. Nur zwei Unterwasserdokumentarfilme in 3-D hat Cameron inzwischen fürs Kino inszeniert, um mit dem Verfahren zu experimentieren: Sein Science-Fiction-Comeback sollte in jeder Hinsicht revolutionär werden.

Nun ist es so weit: Avatar (auf Deutsch mit dem Untertitel Aufbruch nach Pandora versehen) ist einer der teuersten Filme bisher – und zweifellos ein technisches Wunderwerk. Das ist eine von Camerons Stärken: Die Investitionen sind bei ihm auf der Leinwand nicht nur zu sehen, sondern auch zu spüren. Pandora, die fremde Welt mit ihrer vielfältigen Fauna und Flora, übt beträchtliche Magie aus, und nicht nur, wenn ihre Pflanzen psychedelisch pulsieren (was sie sehr gern tun). Gleichzeitig zeigt die angenehm zurückhaltende, und genau darin effektive Verwendung von 3-D das intuitive technologische Gespür des Regisseurs.

Sigourney Weaver raucht im Raumschiff

Camerons andere Stärke ist es eigentlich, seine Geschichten zu orchestrieren – er ist ein Virtuose im fließenden Wechsel zwischen Schauwerten und Handlung, zwischen Actionszenen und Charakterentwicklung. Auch Avatar schreitet da zügig voran, manchmal fast zu zügig – einige wesentliche Aspekte werden nur angerissen, sogar einige entscheidende Details bleiben unerklärt, wahrscheinlich fiel einiges Material der Schere zum Opfer, um die Laufzeit einzugrenzen, dabei dauert der Film noch immer stolze Zweieindreiviertelstunden. Verwirrung droht dem Publikum dennoch nicht: Abgesehen von der äußeren Ausführung bedient sich die absehbare Geschichte wenig originell bei bewährten Mythen.

Aber auch bei Titanic gab es vergleichbare Probleme: Doch gerade die klischeehafte Romanze lockte offenbar die Teenager in Scharen an. Auch Avatar ist in gewisser Weise der ultimative Bubentraum-Fantasyfilm. Und zumal Pubertierende längst die wichtigste Zielgruppe Hollywoods sind, ist Camerons Strategie vielleicht nur vernünftig: Denn sein neuer Film muss wieder ein absoluter Kassenknüller werden.

Alles andere wäre auch eine Überraschung: Schon seit Monaten wird Avatar als Popkulturereignis in der Dimension von Camerons tricktechnisch bahnbrechendem Terminator 2 aufgebaut – und als Film, der das (3-D-)Digitalkino durchsetzen soll. Bei letzterem Punkt hat Cameron eine Niederlage einstecken müssen: Weil die derzeitige weltweite Umstellung der Kinos auf Digitalprojektion zu langsam geht, ist Avatar jetzt doch auch zweidimensional zu sehen.

Verloren ist dann der charmant minimale dreidimensionale Effekt in der Eröffnungsszene: Ein winziger Wassertropfen treibt da vor dem Gesicht des unwahrscheinlichen Helden – eines an den Rollstuhl gefesselten Ex-Marine (Sam Worthington), der nach dem Tod seines Zwillingsbruders dessen Aufgabe übernimmt. Die Menschheit der Zukunft braucht zur Rettung ihres devastierten Planeten ein Mineral, das es auf Pandora gibt. Die dortigen Einwohner – blaue Hünen namens Na'vi – leben in mysteriösem energetischen Einklang mit der Natur (die Quasten ihres langen Schwanzes funktionieren wie ein organischer USB-Stick). Ein nicht minder mysteriöses Verfahren erlaubt indes Auserwählten wie Jake, im Schlaf in die (Avatar-)Gestalt eines Na'vi zu schlüpfen, um dieses Volk auszuforschen. Das planen jedenfalls die Wissenschaftler (als souverän im Raumschiff rauchende Chefin: Sigourney Weaver). Das Militär (großartig als deren gnadenloser Anführer: Stephen Lang) hat anderes vor. Jake soll als Informant dienen, aber bald bevorzugt er sein Na'vi-Leben: Atemberaubende Abenteuer, die Tochter des Stammeshäuptlings und spirituelles Geschwafel sind nicht unbeteiligt daran.

„Terror mit Terror“ bekämpfen?

Avatar ist zwar durchgängig im – vielleicht nicht revolutionären, doch beeindruckenden – Erscheinungsbild ergiebiger als in der Substanz. Aber immerhin hat er etwas zu sagen, auch wenn die ökologische Thematik öfters ins Esoterische schwappt (böse Zungen witzelten schon von Der mit dem Alien tanzt) und die antiimperialistische Allegorie trotz Ansagen wie „Terror mit Terror zu bekämpfen“ weniger zeitgemäß wirkt als von Vietnam inspiriert, wie schon Camerons Aliens. Und auch wenn er seine Anliegen erfreulich ironiefrei vertritt, entkommt der Regisseur nicht den Ironien des Erfolgsdrucks: Die Pazifismusparabel endet im totalen Action-Inferno, und die Zurück-zur-Natur-Botschaft wird mit gewaltigem technischen Aufwand (und virtuellen Effekten) verkauft.

AUF EINEN BLICK

„Avatar – Rückkehr nach Pandora“ ist der erste Spielfilm von James Cameron seit dem Welthit „Titanic“ (1997). Über eine Dekade dauerte es, bis Cameron die technischen Voraussetzungen für „Avatar“ genügten. Es ist einer der teuersten Filme aller Zeiten. Weltweiter Starttermin: 17. Dezember.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2009)

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