"The Expendables": Krieger aus einer anderen Zeit

(c) AP (Karen Ballard)
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Im Actionhelden-Gipfeltreffen "The Expendables" überhöht Sylvester Stallone das Genre Action-Trash in mythische Dimensionen. Hier sorgen verdiente Hollywood Veteranen für Verwüstung. Ab Freitag im Kino zu sehen.

"In jeder Szene ist sein Gesicht noch weiter angeschwollen”, schrieb 1979 Leos Carax, damals noch vor dem Beginn seiner Karriere als extravaganter Kunstfilmer, über Sylvester Stallones Debütfilm Vorhof zum Paradies, den er enthusiastisch mit Charles Laughtons Klassiker Die Nacht des Jägers verglich: Beide seien „der Albtraum eines Waisenkinds“. Sieht man drei Jahrzehnte später Sylvester Stallones Actionhelden-Gipfeltreffen The Expendables, so kann man nicht anders, als an die Zeile mit dem geschwollenen Gesicht zu denken: Die bezog sich damals zwar auf Lee Canalito, der den Wrestler-Bruder von Autor-Regisseur-Schauspieler Stallone spielte, aber in dessen jüngstem Film ist sein eigenes Gesicht von Anfang an geschwollen – wie ein gestraffter Fleischballon auf dem Bodybuilderkörper.

In einer gewissen Weise ist The Expendables schon vom Konzept her die Antithese zum jugendlichen Schönheitskult der Traumfabrik. Hier sorgen verdiente Veteranen für Verwüstung, und Stallone rückt sie immer wieder in Großaufnahmen ins Bild, die das Alter, die Anstrengung, sogar eine gewisse Zerbrechlichkeit spüren lassen: Neben seinem eigenen Antlitz sticht vor allem das von Mickey Rourke hervor, zerklüftet und mit aufgebauschten Lippen, das merkwürdige Resultat von missglückten Schönheitsoperationen und unglücklichen Abenteuern als Boxer.

Geistererscheinungen: Söldner...

Nicht nur das sorgt für faszinierende Widersprüche in einer Produktion, die daherkommt, als wäre das letzte Vierteljahrhundert nicht vergangen: Wie schon in seinen Comebackfilmen Rocky Balboa und John Rambo gibt sich Stallone Mühe, die Texturen und Farbstimmungen seiner großen Erfolgszeit zu beschwören: Der neue Film beginnt mit Siebzigerjahre-Lichteffekten, bevor die Kamera auf eine neonbeleuchtete Straße hinunterschwenkt, wie sie für das Kino der nächsten Dekade typisch war: Auf Motorrädern kommen die Expendables, ein Söldnerteam, angebraust wie Geistererscheinungen aus der Vergangenheit.

Das Marketing verspricht „den größten Action-Cast aller Zeiten“: Zwar sind auch ein paar neuere Kämpfer wie Jet Li und Jason Statham dabei, aber nur Letzterer hat eine substanzielle Rolle und darf neben Kommandant Stallone die zweite Haudrauf-Geige spielen. Ansonsten gehört dieser Film den Namen der Achtzigerjahre: Neben Stallone, Rourke, Dolph Lundgren und Eric Roberts (amüsant als Bösewicht, der sich schon mal über die Ereignisse mit „Bad Shakespeare!“ beschwert) schauen auch Bruce Willis und Arnold Schwarzenegger für einen Gastauftritt vorbei – in der Szene dürfen sich die alten Konkurrenten Sly und Arnie immerhin gut gelaunt gegenseitig Sticheleien über ihre Rivalität um die Ohren hauen. „Was ist mit dem Typen los?“, fragt Willis am Ende, und Stallone schickt seinem in die Politik gegangenen Kollegen hinterher: „Ach, er will einfach Präsident werden!“ Ein Witz, der an frühere gegenseitige Film-Breitseiten anschließt, während mitschwingt, wie es mit schauspielerischen Politkarrieren seit der Reagan-Ära weitergegangen ist.

...Gemetzel und Guantánamo...

The Expendables spielt ein typisches Kampfkinomodell dieser Zeit im Großformat durch: Gemetzel in der Dritten Welt, in diesem Fall in einer südamerikanischen Fantasierepublik, deren Marionettenherrscher von einem zum Drogenbaron gewordenen US-Agenten kontrolliert wird. Die Tochter des Diktators ist im Widerstand und wird bald im Guantánamo-Stil gefoltert: Ihre Künstlerseele rührt das Herz von Einsatzleiter Stallone, ein großartig gebrachter Monolog des Pfeife rauchenden Rourke über Erinnerungen an den Bosnien-Krieg und „the very black shit“ in seinem Kopf geben endgültig den Ausschlag: Die unbarmherzigen Söldner zeigen mehr Gewissen als die zu Profiteuren gewordenen US-Imperialisten. „Ich hätte sehen können, was von meiner Seele übrig ist“, endet Rourke.

...Albträume...

Vom durchaus zum Filmkonzept als Businessmodell passenden Wahlspruch „Wir machen alles, wenn die Kohle stimmt“ schwenkt Stallone um: „Ab jetzt ist es eine persönliche Angelegenheit.“ Tatsächlich trifft das auch auf The Expendables selbst zu: Stallone inszeniert noch immer Albträume mit der Haltung eines Kindes. Nun will er die Apotheose des Achtziger-Actionfilms, zunächst in bewährten exzessiven Konfrontationen und Hammerpointen-Dialogen, dennoch frei von jener oberflächlichen Ironie, die viele aktuelle Neuauflagen (wie den Film zum A-Team) so unangenehm macht. Stallone ist es ernst mit seinem reinigenden Gang durchs Fegefeuer: Wie schon in John Rambo wird in der amerikanischen Killermaschine die Seele geweckt – der Kampf für die richtige Sache entlädt sich freilich wieder in einer Gewaltorgie, die jeder Katharsis spottet. Sein voriger Film ist in dieser Hinsicht kaum zu überbieten, aber Stallone entwirft ein höllisches Spektakel aus Montage-Kaskaden und fast nur mehr unterbewusst aufzunehmenden Bewegungsabläufen, das Action-Trash ganz in der Manier von Sam Peckinpahs The Wild Bunch zur mythischen Dimension überhöht: ein B-Film-Ragnarök, wie der Endkampf zwischen Göttern und Riesen in der nordischen Mythologie heißt.

...Götterdämmerung

Nach dieser Götterdämmerung bleibt Stallone nichts anderes übrig, als die Waffen buchstäblich an den Nagel zu hängen: Die letzte Zusammenkunft der Expendables ist ein gemütliches Abhängen mit Messerwettbewerb in Rourkes Tattoo-Schuppen. Aber es fühlt sich an wie Walhalla, auch wenn Thin Lizzy's Rock-Hymne versichert „The Boys are Back in Town“, während die Söldner auf ihren Maschinen in die Nacht verschwinden, so wie sie gekommen sind – als Krieger aus einer anderen Zeit.

Leben und Werk

Sylvester Gardenzio Stallone wurde am 6. Juli 1946 in New York geboren, als Sohn eines Vaters, der den italienischen Namen Staglione anglisiert hatte, um nicht mit der Mafia assoziiert zu werden. Aber gerade die Gewalt wurde zum Markenzeichen des Schauspielers, der sich zunächst als Pornodarsteller durchschlug.

1976 kam der erste Durchbruchmit Rocky, 1982 der zweite mit Rambo, beide Heldenepen baute Stallone in mehreren Folgen aus. In den 1990er-Jahren wurde es ruhiger um ihn, 2007 war er als Rocky Balboa wieder da.

Stallone leidet seit Geburt an einer partiellen Gesichtslähmung, sie wurde sein Signet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2010)

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