Neu im Kino: Untote sollen leben!

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Der Horrorfilm "Rammbock" von Marvin Kren und Benjamin Hessler begeistert mit Vehemenz und Humor. Der immerhin erste professionell produzierte deutschsprachige Zombiefilm reüssierte bereits bei der Diagonale im März.

Endlich beißt sich wieder jemand durch im österreichischen Kino: kein Derivat aus den Ästhetiken der festivalumschwärmten Austro-Regisseure von Haneke bis Seidl, keine Kabarettkomiker, keine Verwurstung von nationalen Pop-Ikonen. Nein, Rammbock ist außergewöhnlich und vielleicht auch deshalb nicht in Österreich, sondern in Deutschland, im Rahmen der ZDF-Sendereihe „Das Kleine Fernsehspiel“ entstanden: Jungregisseur Marvin Kren, gebürtiger Wiener und Sohn der Schauspielerin Brigitte Kren (die in Rammbock einen gloriosen Kurzauftritt hinlegt), hat ihn in Ko-Regie mit dem Bochumer Benjamin Hessler gedreht.

Das Resultat, immerhin der erste professionell produzierte deutschsprachige Zombiefilm, reüssierte bereits bei der Diagonale im März und ist mittlerweile um die Welt getourt. Die Geschichte folgt dem Österreicher Michael (sensationell: Michael Fuith), einem sympathisch-gutmütigen Pantoffelhelden, nach Berlin, wo er seine Exfreundin Gabi besuchen, vielleicht wieder zurückgewinnen will. In ihrer Wohnung trifft er allerdings nur auf einen Installateur, der sich schnell als blutverschmierter, animalisch brüllender Aggressor entpuppt...

Rammbock ist ein Kammerspiel, verlässt das schmucklose Berliner Wohnhaus erst ganz am Ende: Erst gilt es für die beiden Männer, herauszufinden, was passiert ist. Kommunikationsversuche mit den Nachbarn scheitern. Schlimmer noch: Immer mehr „Wütende“ dringen in Gabis Wohnung ein und drohen die von den Geflüchteten behelfsmäßig errichteten Barrikaden einzudrücken. Es hilft nur mehr eines: Mit einem Rammbock brechen Michael und Harper in die Nachbarwohnung durch – und hoffen, so entkommen zu können.

Zombies sind neben den Vampiren jene Horrorkreaturen, die sich im zeitgenössischen Kino am beständigsten halten: Im Gegensatz zu den langsam wankenden Leichen in George A. Romeros einflussreichem Zombiefilm-Zyklus sind aktuelle Interpretationen der Untoten nicht nur rasend schnell, sondern nicht einmal mehr zwingend tot. Der Brite Danny Boyle war der Erste, der in seinem Hackschnitt-Horrorthriller 28 Days Later (2002) die Untoten-Metapher ausgeweitet hat auf Viruserkrankte.

Anklänge an „Halloween“

Kren & Hessler remixen für Rammbock etliche Ideenpakete jüngerer Zombiefilme: Die Schreckensbilder urbaner Entleerung etwa aus Boyles Film treffen auf die stringenten Horrordramaturgien, die Meisterregisseur John Carpenter mit Halloween (1978) popularisiert hat und die vor wenigen Jahren im spanischen Handkameraschocker [Rec] (2007) eine Renaissance gefeiert haben. Rammbock orientiert sich zwar merklich an großen Vorbildern, ist aber weit mehr als eine Collage: Kren & Hessler erweisen sich als große Figurenautoren. Ihr tollpatschiger Michael ist ein Charakter, der in US-Produktionen als Erster den Monstren zum Opfer fallen würde, der hier aber mit viel Gefühl, trockenem Humor und Verzweiflung versucht, die unwirkliche Situation zu überleben. Beeindruckend: die außergewöhnlich kinetische Kameraarbeit von Moritz Schultheiß, die zwischen wild an- und abgewinkelten Innenaufnahmen und breiten Panoramen vom apokalyptischen Berlin schwankt; sowie die fabulös hergerichteten und choreografierten Horden von Wütenden.

Rammbock wurde in Deutschland produziert, ist aber auch ein wichtiges Lebenszeichen für den österreichischen Film: Die lokale Variation eines international kassenträchtigen Horrorphänomens dürfte aufgrund ihres Erfolgs frisches Blut (also: frische Ideen) in hiesige Produktionshäuser pumpen. Gut so: Österreich kann mehr Untote gebrauchen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2010)

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