Bestsellerverfilmung: Trost durch den Todgeweihten

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Oskar und die Dame in Rosa. „Die Presse“-Premiere: Autor Éric-Emmanuel Schmitt adaptierte sein tragikomisches Erfolgsbuch.

Das Treffen der zwei Angefressenen hat für beide positive Folgen. Den zehnjährigen Oskar ärgert, dass ihm die Streiche verziehen werden, sobald er als der Missetäter enttarnt ist: Denn soeben wurde Oskars Krebs als unheilbar diagnostiziert. Er erfährt es, indem er Arzt und Eltern belauscht: Dass keiner direkt sagt, was ihn erwartet, verletzt ihn zutiefst. Dagegen sind die Gründe für den Unmut der Pizzabäckerin Rose belanglos: Als das Krankenhaus ihre „Pinky Pizzas“ nicht ordert, reagiert sie kratzbürstig. Das hinterlässt in Oskar tiefen Eindruck, die Frau will er wiedersehen. Der Chefarzt überredet sie also zu einem Deal: Wenn sie den Bub besucht, wird ihre Pizza bestellt.

Große Themen, pralle Gefühle

Die Geschichte von Oskar und die Dame in Rosa hat der französische Bestsellerautor Éric-Emmanuel Schmitt 2002 in (112 Seiten schmaler) Buchform erzählt, damit international einen seiner größten Erfolge gelandet. Nun führte Schmitt bei der Verfilmung Regie, zum zweiten Mal. 2006 debütierte er mit Odette Toulemonde nach seiner gleichnamigen Erzählung: Eine deklariert „leichte, charmante Wohlfühlgeschichte“, bevor er sich einem Herzensprojekt und großen Themen – Krankheit, Tod, Religion – zuwandte.

Trotz eines unausweichlich die Tränendrüsen strapazierenden Finales ist Oskar und die Dame in Rosa aber schließlich doch eine tröstliche Heilsgeschichte in bewährter Schmitt-Manier. Schon seine kunterbunte Odette führte zu zahlreichen Amélie-Vergleichen, auch diesmal bietet er pralle, oft skurrile Erzählfülle, während prächtiges Pink das kühle Krankenhauskorridorblau belebt. Schmitts Strategie ist selbst eine clever konzipierte Übung in Verdichtung: Keine 14 Tage bleiben Rose, um Oskar eine Vorstellung vom Leben zu vermitteln, jeden der Tage soll er als ein Jahrzehnt begreifen. Von ihren im Stil greller Slapstick-Grotesken inszenierten Abenteuern als Catcherin („Die Würgerin von Languedoc“) lässt sich der Bub inspirieren, durchlebt in der Folge im Schnelldurchlauf quasi Pubertät, erste Liebe und Ehe (mit einem anämischen Mädel im Hospital) und schließlich das Alter, begreift immaterielle Werte. Im Gegenzug gewinnt auch Rose Einsichten für ihre Existenz.

Im Wechselspiel von schlagfertigen Dialogen, sentimentalen Momenten, exzentrischen Ideen und missionarischem Eifer gönnt Schmitt sich (und dem Publikum) keine Pause, aber die Musik von Altmeister Michel Legrand lässt das Gefühlskarussell wacker kreisen, ebenso wie die starken Interpreten: Kinderdarsteller Amir nimmt man auch altkluge Momente ab, Max von Sydow verströmt als Arzt historisches Charisma, die famose Michèle Laroque gibt der resoluten Dame in Rosa Vitalität und Gefühlstiefe. Wo Amélie-Regisseur Jean-Pierre Jeunet derzeit in Micmacs virtuose Kettenreaktionen ohne echte Emotion bietet, wirkt das Bekenntnis seines Kinoschülers Schmitt zum rührseligen Idealismus jedenfalls menschlich.

Zur Person

Éric-Emmanuel Schmitt wurde 1960 im Elsass geboren, in den 1990ern wurde er als Dramatiker bekannt, es folgten internationale Bestsellerromane. Schmitts „Zyklus des Unsichtbaren“ widmet sich Spiritualität und den großen Weltreligionen: „Oskar und die Dame in Rosa“ behandelt das Christentum, berühmt ist auch der mit Omar Sharif verfilmte Islam-Roman „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“. Seine Verfilmung von „Oskar und die Dame in Rosa“ ist ab Freitag in den Kinos.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2010)

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