„Pina 3D“: Pina Bausch in vielen Dimensionen

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Wim Wenders sehr persönliche Hommage, an die 2009 verstorbene Tanzpionierin ist ein Film für Ballettfans und Ästheten. In kleinen Passagen nähert sich Wenders einer vielschichtigen Persönlichkeit.

Schon nach ein paar Augenblicken hatte ich einen Kloß im Hals, und nach einigen Minuten ungläubigen Staunens habe ich einfach meinen Gefühlen freien Lauf gelassen und hemmungslos geflennt.“ So sei es ihm 1985 ergangen, als er das erste Mal eine Choreografie von Pina Bausch auf der Bühne sah, sagte Wim Wenders in seiner Laudatio anlässlich der Verleihung des Goethe-Preises an Bausch im Jahr 2008.

Ein Jahr später war sie tot. Unerwartet. Und Wenders musste das gemeinsam mit der Choreografin geplante Projekt – einen Tanzfilm – plötzlich allein bewerkstelligen.

Pina 3D nennt er es – und nennt damit alles, worum es geht, beim Namen. Denn erst die neue Dreidimensionalität des Kinos hielt er für die angemessene Form, um dem Betrachter näherzubringen, was Bausch und ihre Tänzer auf der Bühne trieben: „Das war nicht Theater, nicht Pantomime, nicht Ballett und schon gar nicht Oper.“ Vielmehr sei Bausch die Erfinderin „einer neuen Kunst“.

Sein Filmmonument für die charismatische Tanzpionierin hat drei Säulen: Wenders zeigt eigens in 3-D gefilmte Ausschnitte der noch mit Bausch für den Film ausgewählten und neu einstudierten Stücke, die den sensiblen Blick, den Ernst, aber auch den Humor der Choreografin veranschaulichen. In „Le Sacre du printemps“ (1975) inszeniert Bausch auf einer mit Torf bedeckten Bühne den brutalen Kampf der Geschlechter.

Erschreckend intime Momente

Auch in „Vollmond“ (2006) spielt Bausch mit den Elementen, lässt die Tänzer über nackten Fels und durch einen immer tiefer werdenden See aus Regenwasser taumeln, bis sie völlig durchnässt und fertig sind. In „Café Müller“ (1978) treibt sie die Einsamkeit auf die Spitze. Die Protagonisten sind unfähig, zueinander zu finden. „Kontakthof“ (1978), ein Stück über Gesten und Balzverhalten, das sie 2000 mit Senioren und 2008 noch einmal mit jugendlichen Amateuren inszeniert hat, lässt den Betrachter schmunzeln – und nachdenken. Im Film ist man dem Geschehen erschreckend nahe – die Distanz zwischen Bühne und Publikum löst sich im 3-D-Verfahren auf, was faszinierende, manchmal erschreckend intime Momente ermöglicht.

Die zweite Säule des Films sind die Porträts der hervorragenden Tänzer, die teilweise jahrzehntelang mit Bausch gearbeitet haben. Wenders macht es so wie die Choreografin, wenn sie ein Stück erarbeitet hat: Er stellt Fragen. Dann erzählen die Mitglieder des Tanztheaters Wuppertal versonnen und fasziniert von der Arbeit mit ihrer Mentorin, der jeder auch eine kurze Choreografie widmet. Schauplatz sind Wuppertal und Umgebung, die Assoziationen sind so vielgestaltig wie die Persönlichkeiten in dieser Kompanie. Ob im Goldkleid auf der Verkehrsinsel, mit fleischgepolsterten Spitzenschuhen vor einer Fabrik oder mit Hasenohren in der Schwebebahn: Wie in Bauschs Stücken liegen auch in diesen Kurzchoreografien Liebe, Schmerz und Humor ihrer Tänzer nah beieinander.

In kleinen Passagen nähert sich Wenders einer vielschichtigen Persönlichkeit, lässt sie schließlich ein paar Mal in Erscheinung treten – als dritte Säule seines Künstlerporträts. Geschickt baut er das Archivmaterial in die 3-D-Technik ein, um dem Publikum einen eigenen Eindruck von der Ausstrahlung und der Arbeitsweise von Pina Bausch zu vermitteln. Ihr intensiver Blick, so sagt er, war immer streng, aber stets liebevoll. Eines kann Wenders nicht von sich behaupten: Dass er, was Pina Bausch angeht, objektiv wäre. Er war lange mit ihr befreundet, bewundert ihre Arbeit hemmungslos. Für seinen Film ist das kein Schaden. Der ist nicht nur Tanzfans, sondern allen Ästheten zu empfehlen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2011)

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