Transformers 3: Kino der ungefilterten Bubenfantasien

(c) Courtesy of Paramount Pictures (Paramount Pictures)
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Michael Bay ist Populist aus Überzeugung, er lässt sich von Konzernen und Militär subventionieren. Und doch hat er seine ganz eigene Kinogrammatik gebastelt. Ist er am Ende ein verkappter Autorenfilmer?

Bumm. Bumm. Krach. Schepper. Kläng. Willkommen in der Welt von Michael Bay und seinen „Transformers“, der abwechselnd faschistische, militaristische, rassistische und kriegsverherrlichende Tendenzen nachgesagt werden. Bay macht das, was man in Hollywood früher „Blockbuster“ genannt hat und was jetzt Event-Film heißt: Das Publikum soll durch richtig viele Schauwerte verlockt werden, Geld für das „Erlebnis“ zu bezahlen. Am besten gleich mehrmals. Es ist die amerikanische Schlüsselstrategie zur Bekämpfung der Download-Bewegung, und Michael Bay ist ihre schärfste Waffe. Unverfroren und kunstfern wie kein Zweiter sucht er für seine Produktionen die offizielle Unterstützung durch das US-Militär, lässt sich von Konzernen Millionen bezahlen, damit ihre Produkte in den Film eingearbeitet werden oder errichtet gleich, wie im Fall von „Transformers“, seine ganze Filmwelt auf einem Spielzeuguniversum.

„Präsentiert von Hasbro“ liest man dann auch zu Beginn von „Transformers 3“, der im Original den Untertitel „Dark of the Moon“ trägt. Der Mond spielt im letzten Kapitel der hysterisch durchdesignten Fantasy-Saga insofern eine Rolle, als dass auf ihm Anfang der Sechzigerjahre ein außerirdisches Raumschiff vom Maschinenplaneten Cybertron eine Bruchlandung hinlegt und damit das „Space Race“ zwischen den USA und der Sowjetunion merklich dynamisiert.

Gastauftritt von Astronaut Buzz Aldrin

Als Neil Armstrong und Buzz Aldrin (der im Film einen reizenden Gastauftritt absolviert) 1969 ihre Schritte auf der Mondoberfläche machen, sind sie auch die Ersten, die das unbekannte Flugobjekt untersuchen können. Auf der Erde der Gegenwart tobt mittlerweile der Kampf zwischen zwei gigantischen Roboterrassen weiter: den friedliebenden, menschenfreundlichen Autobots und den machtgierigen Decepticons. Durchschnitts-Boy Sam Witwicky (macht immer noch eine gute Figur: Shia LaBeouf) ist erneut mittendrin in der trümmerreichen Auseinandersetzung. Seit seiner ersten Konfrontation mit einem „Transformer“ – einem außerirdischen Wesen mit der Fähigkeit, sich in sehr irdische Fahrzeuge zu verwandeln – ist er inoffizieller Mediator zwischen Maschinen und Mitmenschen. Begleitet von seiner perfekt frisierten Model-Freundin in schicken Stöckelschuhen (gespielt vom „Victorias-Secret“-Model Rosie Huntington-Whiteley) stürzt er sich in die letzte Schlacht zwischen den „Transformers“, in der das Mond-Wrack aus dem Kalten Krieg eine entscheidende Rolle spielen wird.

Wie in den zwei Vorgängerfilmen zieht Regisseur Michael Bay, flankiert von einer Armada an Digitaleffektkünstlern, sämtliche Register des zeitgenössischen Spektakelkinos. Während einen dank 3-D-Technologie die zerberstenden Roboter und umfallenden Wolkenkratzer im Kinosessel förmlich erschlagen, glänzen auf der Leinwand die perfekt berechneten Kühlerhauben um die Wette, werden die gewaltigen Szenarien von einer schwindelerregenden Flugkamera eingefangen und von einem Post-Industrial-Soundgewitter direkt ins Zuschauerhirn gepumpt. Überwältigend. Die aus einzelnen Vignetten zusammengeschweißte Geschichte spielt da nur eine Nebenrolle.

Bays Filme an konventionellen Erzählkinomaßstäben zu messen, wäre ignorant: Der Populist aus Überzeugung zaubert ungefilterte Bubenfantasien herbei, von Frauenhintern in Großaufnahmen über stramme Soldaten hin zu kämpfenden Robotern. Sein Kino besteht allein für die Bewegung: Die skurrilen Nebenfiguren, von John Malkovichs solariumgebräuntem Firmenboss über Frances McDormands gusseiserne NSA-Chefin hin zu John Turturros exaltiertem Geheimdienstler, überleben nur vermittels (ziemlich gelungenen) Brachialhumors, der Entwicklungsroman von Sam Witwicky ergeht sich in ineffizient eingesetzten Gemeinplätzen. Aber wenn ein gewaltiger Schlangen-Transformer ein gläsernes Hochhaus in Chicago durchlöchert, wenn unsere Helden im obersten Stockwerk durch die Gegend rutschen, als wär' grad Jahrmarkt, und irgendwann alles gen Asphaltboden rumst, dann kann man Bays Leidenschaft zwischen all dem Bauschutt förmlich riechen.

Hier ist, entgegen vielfacher Kritik, kein Ideologe, sondern ein Phänomenologe am Werk, einer, der sich für die Oberflächen und den Effekt interessiert und um sie herum seine ganz eigene Kinogrammatik gebaut hat: einen Zusammenzug aus Werbeästhetik, Clip-Kultur und Computerkunst, ein auf den ersten Blick seelenloses Blechmonstrum, das einem gerade aufgrund seines frech gegen den guten Geschmack gestrichenen Gehabes ans Herz wachsen kann und irgendwie auch unvergesslich bleibt. Einen Bay-Film kennt man unter tausenden heraus. Vielleicht ist der Bumm-Bumm-Regisseur also doch ein Autorenfilmer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2011)

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