Neu im Kino: Larry Crowne, amerikanischer Traum

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Tom Hanks inszeniert in seinem zweiten Regiefilm die Sehnsucht nach einer einfacheren Vergangenheit. Das ist zart, aber auch reaktionär, und vor allem ist es langweilig.

Zwischen gewaltigen Supermarktregalen und bunt verpackten Waren liegt das Paradies von Larry Crowne. Wie losgelöst surft der gewissenhafte Mitarbeiter durch die Gänge, hilft Kunden, witzelt mit Kollegen. Acht Mal wurde die Frohnatur schon zum Mitarbeiter des Monats gewählt: Da trifft es ihn besonders hart, als ihm ein Anzugträgertrio in steriler Gesetzessprache keine neue Leistungsplakette, sondern seine Kündigung aushändigt. Er sei ein geschätzter Mitarbeiter, aber ohne Universitätsabschluss habe man keine Aufstiegschancen und das entspräche nicht der Firmenpolitik, heißt es.

Wäre „Larry Crowne“ ein konventioneller zeitgenössischer Krisenfilm, würden auf diesen Schock Genickwatschen für die verrohten Unternehmensbosse folgen. Aber es ist der zweite Regiefilm von Hollywoodschauspieler Tom Hanks, der während seiner ganzen Karriere eine Leinwandpersona hegte und pflegte: die des Durchschnittsmannes, der sich vom Leben herausgefordert sieht, aber kraft uramerikanischer Werte wie Leistungs- und Leidensbereitschaft alle Hürden nimmt.

Zynismus, Ironie, Sarkasmus: All diese zeitgeistigen Verhaltensweisen sind in „Larry Crowne“ deaktiviert, ein wenig weht der Geist des klassischen Hollywoods mit seinen absoluten moralischen Definitionen durch diesen unauffälligen Kleinfilm. Tom Hanks gibt sich in der Titelrolle unterspielt: Alles soll Normalität ausstrahlen an diesem alleinstehenden Vorstadthausbewohner, der sich als Neo-Arbeitsloser zuerst von einigen Besitztümern trennt und schließlich seinen Benzinfresser gegen ein viel wirtschaftlicheres, verwittertes Moped eintauscht. All diese Lebensumstellungen meistert Larry Crowne ohne melancholische Schübe: Viel lieber blickt er nach vorn und entscheidet sich, sein Bildungsdefizit auszumerzen. Am „Community College“, einer Art Volkshochschule, schreibt er sich für eine Ökonomieklasse (süffisant geleitet von „Raumschiff-Enterprise“-Legende George Takei) und einen Konversationskurs ein.

Letzteren leitet die frustrierte Mercedes Tainot (ein angenehmes Wiedersehen mit Julia Roberts), die sich zu Hause mit alkoholischen Mixgetränken zudröhnt, um der Ignoranz ihrer Schüler gelassen entgegentreten zu können. Das erzählt Hanks' Film so zurückgelehnt und entspannt, als würde man aus dem Fenster blicken und eine Alltagsszene beobachten. Markante Plots und geschliffene Witze fehlen seiner Tragikomödie ebenso wie Zeitgeist und Verve.

Lebensrolle: Durchschnittsheld

Der Regisseur entpuppt sich als (zu) klassischer amerikanischer Träumer, er fasst nebenher seine Karriere zusammen: Während sich Hanks in den 1980ern als komödiantisches Knautschgesicht durch Teenieklamotten wie „Bachelor Party“ und visionäre Grotesken wie „Meine teuflischen Nachbarn“ witzelte, stellte er seine Karriere im folgenden Jahrzehnt auf ein neues Fundament. Vor allem mit der ikonischen Darstellung des Naivlings „Forrest Gump“, der durch Zufall an historischen Ereignissen teilnimmt, schrieb er sich als Durchschnittsheld fest. Anders als bei Leinwandmackern wie Bruce Willis oder Sylvester Stallone erleidet Hanks' Karriere keine Dellen: Seine Figuren scheinen zeitlos zu sein.

Insofern steht ihm der passiv-defensive Larry Crowne wie keinem anderen: Wie der sich von seinen Mitstudentinnen in eine Mopedclique eingliedern lässt und wie er sich in seine Lehrerin verliebt, das ist klassisches Tom- Hanks-Territorium. Der Verzicht auf alle Alleinstellungsmerkmale hat allerdings auch Schattenseiten: „Larry Crowne“ ist der Inbegriff des biederen, spießigen Sonntagnachmittagsfilms, in dem der amerikanische Traum bedingungslos durchexerziert wird, und ist als solcher vorhersehbar und langweilig. Als Mantra schwebt „Alles wird gut, wenn du nur an dich glaubst“ über dem Geschehen, der Mangel an ironischer Brechung oder sarkastischem Kommentar funktioniert spätestens dann nicht mehr, wenn Crowne sein Häuschen verkaufen muss und als einzige Reaktion für einige Sekunden traurig aus der Wäsche schauen darf.

So geschmeidig lässt sich ein Land nicht heilen, genauso wenig wie sich alles richtet, wenn man immer nett und freundlich ist. Insofern ist „Larry Crowne“ ein zarter, zerbrechlicher Traum von einem Film, ein sehnsüchtiges Zurückwünschen in eine einfachere Vergangenheit, durchaus reaktionär gestimmt. Jetzt kann man natürlich sagen: Das Kino, das ist doch der perfekte Ort für Träume. Und darauf muss man antworten: Stimmt schon, aber wenn Träume so langweilig und ereignislos sind, dann sollte man sie vielleicht lieber für sich behalten. Interessieren wird das kaum jemanden. Außer Tom Hanks vielleicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2011)

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