„Contagion“: Jeder kämpft für sich allein

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bdquoContagionldquo Jeder kaempft fuer(c) Claudette Barius ( Warner )
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Steven Soderberghs starbesetzter Thriller „Contagion“ will eine Virus-Epidemie realistisch darstellen und spielt mit dem Schrecken einer atomisierten Gesellschaft.

Der Anfang zeigt schwarzen Humor: Schwarz ist die Leinwand, und man hört ein leidiges Husten. Es kommt von Beth (Gwyneth Paltrow), der Angestellten eines multinationalen Konzerns: Auf dem Heimweg von Hongkong hat sie einen Zwischenstopp für einen Seitensprung eingelegt. Die Grippe-Symptome tut sie am Flughafen noch als Jetlag ab, 24Stunden später fällt sie vor ihrem Gatten Mitch (Matt Damon) zu Boden, beginnt zu zucken und hat Schaum vor dem Mund. Im Hospital kann man sie nur noch für tot erklären.

Beth ist die Quelle eines neuen Virus, einer tödlichen Kombination aus Sars und Schweinegrippe. Regisseur Steven Soderbergh setzt in seinem Epidemie-Thriller Contagion auf Realismus: Das Virus hat der einschlägig spezialisierte Universitätsprofessor Ian Lipkin als glaubwürdigen Mix aus Erregern gestaltet, die von Fledermäusen bzw. Schweinen übertragen werden – er hat auch einige der Starschauspieler des Films darin geschult, sich bei Handgriffen im Labor wie außerhalb glaubwürdig wie echte Wissenschaftler zu verhalten. Aber Contagion liefert auch erzählerisch ein Gegenbild zu den üblichen Modellen des Katastrophenfilms.

Ging es zur Hochblüte des Genres unweigerlich um Gruppen, die sich angesichts einer Katastrophe – egal ob Epidemie, brennender Wolkenkratzer oder umgekipptes Schiff – zusammenraufen müssen, so will Soderberghs Thriller eine zeitgemäße Idee der atomisierten Gesellschaft liefern. Aus Angst vor Infektion nehmen die Menschen voneinander Abstand: Selbst Mitch, der sich als resistent erweist, verbarrikadiert sich daheim, um seine Tochter zu schützen.

So agieren die Hauptfiguren für sich oder sind bestenfalls per Telefon in Kontakt, während ganz normale Alltagsdetails zur Verbreitung von Schrecken genügen: Einen Virologen (Elliot Gould) überkommt schon die Angst, als er bloß im Restaurant sitzt – und in jedem Handschlag, jedem Kuss, jedem weiterwandernden Glas die titelgebende Ansteckung ahnt. Der Vizedirektor des Zentrums für Prävention und Kontrolle von Krankheiten (Laurence Fishburne) schickt eine idealistische Ärztin (Kate Winslet) ins schwerstbetroffene Seuchengebiet, wo sie zwischen Leichenbergen und Militäreinheiten etwas auszurichten versucht. Überlebensgarantie gibt es keine – dass er die Formeln auszuhebeln gedenkt, beweist Soderbergh mit einem unheimlichen Bild seines ersten toten Stars: Paltrows Figur wird bei der Obduktion die Kopfhaut abgezogen und über das (Star-)Gesicht gestülpt.

Fehlinformationen verbreiten sich viral

Das rasche Hin und Her zwischen den Schauplätzen und Charakteren gibt Soderberghs Film einen nervösen Kick, dabei ist Contagion paradoxerweise ein ungewöhnlich ruhiger Film über Panik: Die äußert sich nicht in aufwendigen Effekteszenen, sondern in Bildern menschenleerer Kirchen, geplünderter Supermärkte oder entvölkerter Flughäfen. Eine besonders geglückte Volte ist die Einbindung des Internets: Nicht nur die Krankheit, auch (Fehl-)Informationen verbreiten sich viral. Jude Law gibt einen skrupellosen Blogger mit dem abstrusen Namen Alan Kruwien, auch wenn er manchmal in wunderbaren selbst gebastelten Schutzanzügen herumlaufen darf. Das heißt nicht, dass den offiziellen Kräften der Virusbekämpfung zu trauen wäre: Zwischen privaten Überschreitungen und der Wahrung wirtschaftlicher Interessen kommt allerhand ins Spiel, bevor das Virus 26 Millionen Menschen dahinrafft.

Soderberghs Film ist ein diskutables Update des Seuchenthrillers: Glaubwürdiger und intelligenter als spekulative Genreware wie Outbreak, informativ in manchen Details, technisch versiert (die Kamera führt wieder der Regisseur selbst unter Pseudonym, sein alter Cliff Martinez steuert einen bemerkenswerten Soundtrack bei), selbst die Achillesferse des Filmemachers passt zum Thema: Egal ob eine Filmbiografie von Che Guevara oder ein Zeitgeistporträt mit Pornostar Sasha Grey – Soderbergh scheint stets mehr die technische Herausforderung zu interessieren als der persönliche Umgang mit den Stoffen. In Contagion passt das zwar zur offiziellen Vorgangsweise gegen den Virus: „Social distancing“. Aber der eigenen Kühle traut Soderbergh wieder selbst nicht ganz, wenn er sich im sentimentalen Finale wiederholt – und dann als Pointe den letzten Puzzlestein der Virusverbreitung präsentiert, als es schon egal ist. Inzwischen hat der Regisseur angekündigt, dass Contagion sein fünftletzter Film sein wird. Es soll u.a. noch sein Traumprojekt folgen: ein Liberace-Porträt mit Michael Douglas in der Titelrolle. Dann will sich Soderbergh ganz der Malerei zuwenden: abstrakter, selbstverständlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2011)

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