Gelungener Fachwechsel für „Bully“ Herbig

(c) Dapd (Bavaria Pictures/Tom Trambow)
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Leander Haußmann dichtete und drehte mit „Hotel Lux“ einen sehenswerten Historienfilm voll schwarzem Humor. Herbig schafft den wechsel zum Charakterdarsteller mit Bravour.

Ein Mann sitzt auf einem roten Stern hoch über den Dächern von Moskau: Der Komiker Hans Zeisig (Michael „Bully“ Herbig) und sein Freund Siggi Meyer (Jürgen Vogel) machten im Berlin der 1930er mit Parodien von Hitler und Stalin Furore. Nun musste Zeisig fliehen. Er wollte nach Hollywood, aber die gefälschten US-Pässe waren aus – es reichte nur bis Moskau. Im dortigen Hotel Lux trifft der pfiffige Schelm auf prominente deutsche Kommunisten, auf Stalin selbst – und er muss sein Talent für Improvisation beweisen.

Leander Haußmann schrieb – nach Motiven von Uwe Timm und Volker Einrauch – das Drehbuch zu Hotel Lux und führte Regie. Als Inspirationsquelle diente wohl Quentin Tarantinos Inglourious Basterds. Hotel Lux ist weniger schräg, bleibt näher an den Fakten. Filme mit NS-Themen erhalten leichter Förderung und Auszeichnungen. Dass Haußmann auf den Spuren von Stefan Ruzowitzkys Die Fälscher Oscar-Ehren erhofft, liegt auf der Hand, beide Filme verbindet eine Art Hollywood-Ästhetik, wobei Haußmann seine Begeisterung fürs große US-Gefühlskino in Hotel Lux deutlich macht. Die Liebenden, Zeisig und die kratzbürstige Fabrikantentochter Frida (Thekla Reuten), die sich für den Kommunismus begeistert, nähern sich viele Male einander an und werden wieder getrennt, bevor sie einander küssen dürfen.

Ein fescher Held, fast wie aus Hollywood

Für Michael „Bully“ Herbig bedeutet Hotel Lux einen Fachwechsel: vom Komiker, der den billigen Schmäh nicht scheut, sondern zelebriert, zum Charakterdarsteller. Herbig schafft das mit Bravour. Er ist allerdings ein deutlich weniger kantiger Typ als „Fälscher“-Protagonist Karl Markovics. Mit schmalem Hut und Bärtchen gibt Herbig einen charmanten Kavalier, der sich geistesgegenwärtig aus jeder brenzligen Lage rettet, in höchster Not greift der Zufall ein, Unwahrscheinliches ist hier Trumpf.

Nun, um das Wahrscheinliche geht es längst nicht mehr in Filmen über die NS-Zeit, sondern um das originelle Jonglieren mit Historie. Manchen graut es vor dieser Leichtigkeit im Umgang mit Europas wohl schrecklichster Epoche. Aber Haußmann, einst Erfinder des Spaßtheaters und ein Spezialist für abgründige bis rotzige Pointen, behandelt das heikle Thema mit Würde. Der Film ist hervorragend besetzt. Valery Grishko etwa zeigt Josef Stalin, den echten, nicht die Parodie, als einen Tyrannen, der so grausam wie sentimental ist. bp

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2011)

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