Twilight: Der Vampir und das echte Gefühl

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Ja, auch die neue Folge der Vampirfilmserie „Twilight“ ist schlecht. Dennoch erlaubt sie ein rauschhaftes Vergnügen. Und ist essenziell feministisches Popkulturgut.

Die Twilight-Filme sind genauso schlecht wie die Romanvorlagen: ein langatmiges, vorhersehbares Konvolut aus konservativer Mädchenromantik und verkitschten Erlösungsfantasien, mit Todessehnsucht und verschwörungstheoretischen Momenten versetzt. Aber, und jetzt wird's interessant, all das ist völlig egal, es arbeitet sogar für die Geschichten. Sobald man nämlich erst einmal den Groschenromancharakter akzeptiert hat und bereit ist, sich von all dem Sentiment und den schlecht geschriebenen Dialogen durch die hanebüchene Geschichte tragen zu lassen, wird Twilight zu einem rauschhaften Vergnügen.

Dem Interessierten präsentiert sich das sogenannte „Phänomen“ als konkrete Abfolge von Stationen: von den Büchern über die Internetforen und all ihren Fanerzählungen hin zu Fantreffen und schließlich – als dramaturgischer Höhepunkt – die Multimillionen-Dollar-Verfilmung, in der all die Kopffantasien und Hirngespinste Gestalt bekommen. Autorin Stephanie Meyer hat bei all dem interaktiven, multimedialen Weltendesign nur mehr bedingtes Gestaltungsrecht, wiewohl sie beim jüngsten Film Breaking Dawn nicht nur als Koautorin des Drehbuchs (mit Melissa Rosenberg), sondern erstmals auch als ausführende Produzentin firmiert. Im spießigen Kleid darf sie dann sogar bei einer der Schlüsselszenen, nämlich der Hochzeit zwischen Bella (Kristen Stewart) und Edward (Robert Pattinson), für ein paar Sekunden in die Kamera lächeln und ihren Kreaturen applaudieren.

Mit gewöhnlichen dramaturgischen Parametern ist dem, was in diesem Film abgeht, ohnehin nicht mehr beizukommen: Wer Twilight bisher nicht wahrgenommen hat, dem dürften in der mehr als einstündigen (!) Exposition die Füße einschlafen. Bis auf die Hochzeit im Blütenmeer und dem Honeymoon auf einer vom vampirischen Cullen-Clan gekauften Insel vor Brasilien (Rio präsentiert sich alldieweil als ein Haufen Menschen, die auf den Straßen tanzen) passiert nichts. Alle anderen fiebern hingegen der baldigen Vereinigung von Bella und Edward entgegen: nach drei Filmen, in denen sich ihre Hormone umtanzt haben, dürfen sich die jungen, schönen Menschen also endlich auch unter der Gürtellinie treffen.

Am nächsten Morgen zeigt sich die Putzfrau entsetzt über das kaputte Bett, während Bella die blauen Flecken zählt, die durch die Liebkosungen ihres übermenschlich kräftigen Blutsauger-Boys entstanden sind. Liebe tut eben weh. Vor allem in Twilight. Wiewohl sich Feministinnen zuhauf (vermutlich auch zu Recht) darüber echauffieren, dass sich Bella wechselweise von einem Vampir und einem Werwolf umgarnen und beschützen lässt, ist Meyers Serie eines der wenigen Beispiele für essenziell feminines Popkulturgut. Die zweite Hälfte von Breaking Dawn – derzeit läuft nur der erste Teil des Finales in den Kinos, der zweite kommt noch rechtzeitig vor dem Weltuntergang im November 2012 – kreist demnach auch um eine ungewollte Schwangerschaft: In Bellas Bauch wächst ein Kind heran, das aufgrund der vampirischen Vatergene zuerst droht ihren Brustkorb zu zerschmettern und sie schließlich nach einer jugendfreundlichen, aber hinreichend blutigen Kaiserschnittgeburt gleich ganz ins Jenseits schickt.

Bindungs- und Entbindungsängste vermengen sich mit Körperhorror: Werwolf und Vampir sind hier auch nur mehr Männer, der eigentliche Kampf wird in (!) einer Frau ausgetragen. Kein Wunder, dass sich vor allem heterosexuelle Jungmänner von Twilight eingeschüchtert zeigen: Nicht nur geht es darin trotz aller Aufblähung um echte und absolute Gefühle, nein, sie werden auch noch gänzlich ironiefrei auf den Zuschauer abgeladen. Man verzehrt sich genau deshalb nach diesen Geschichten, weil man weiß, woran man ist. Ein bisschen Sicherheit in der allgemeinen Verunsicherung. Ein bisschen Hoffnung für die Welt. Der Triumph der Gefühle, geile Typen und ewige (!) Liebe inklusive. Hach.

Zum Film

„Breaking Dawn – Bis(s) zum Ende der Nacht, Teil 1“ ist die erste Hälfte der Verfilmung des vierten und letzten Buchs der erfolgreichen „Twilight Saga“ der Mormonin Stephenie Meyer. Teil 2 des Films folgt 2012, für die Regie beim finalen Kinodoppel waren sowohl Sophia Coppola wie Gus Van Sant im Gespräch, schließlich übernahm Oscar-Preisträger Bill Condon („Gods and Monsters“).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2011)

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