Trashfilm "Iron Sky": Mond! Nazis! Udo Kier!

(c) Einhorn Filmverleih
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Die Fan-Finanzierungsgeschichte der Science-Fiction-Klamotte „Iron Sky“, von Timo Vuorensola ist faszinierend. Der Film aber nicht. Ein Exploitation-Ausverkauf. Ab Donnerstag im Kino.

Alles war da für eine Erfolgsgeschichte mit filmhistorischem Mehrwert: ein junger Finne, der bisher ausschließlich Erfahrungen mit graswurzelfinanzierten Fanfilmen machte, stellt ein Projekt auf die Beine, bei dem sogar Hollywood-Zampanos große Augen machen. Sein Schmäh: Er wirft ein simples, aber geniales Konzept in den Internetraum. Es geht um Nazis, die auf die dunkle Seite des Mondes geflohen sind und sich auf den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre vorbereiten. Schriftzug und grafisches Design sind in faschistischer Ästhetik durchkomponiert. „Naziploitation“ nennt man das: ein Spezialfall von „Exploitation“, von Kino also, das mit voller Überzeugung geschmacklos, billig und spekulativ ist.

„Iron Sky“ war schnell in aller Munde: Die von Hollywoods Edel-Exploitation-Wunderwaffen Quentin Tarantino und Robert Rodriguez sensibilisierte (junge) Zielgruppe gierte dem schamlosen Happening entgegen. Mond! Nazis! Udo Kier!

Wie gesagt: In der Anlage wäre alles enthalten für eine angemessen respektlose Pilgerfahrt zurück zu den Wurzeln des Naziploitation-Kinos. Noch vor 20 Jahren hätte so ein Konzept vorwiegend mit Eigenmitteln und dann vermutlich im elterlichen Konservendosenkeller umgesetzt werden müssen. Das Internet und seine 2.0-Philosophie haben jetzt aber auch die Filmproduktionskette umgekrempelt: Timo Vuorensola, der junge Finne, zieht innerhalb weniger Monate eine digitale Architektur auf, die es dem Otto-Normal-User nicht nur erlaubt, in den noch nicht realisierten Film zu investieren, sondern sich auch auf diversen anderen Ebenen einzubringen: Mal doktern deutsche Fans an der Grammatik der zum Teil deutschsprachigen Dialoge herum, mal folgen Hunderte einem Aufruf, als Komparsen am Drehort zu erscheinen. Die Ressourcen werden gebündelt und voll ausgeschöpft.

Infantile Komik wie bei Bully Herbig

Der fertige „Iron Sky“ hat schließlich an die 7,5 Millionen Euro verschlungen, gut eine Million wurde über das Internet lukriert. Der große Rest setzt sich aus Mitteln der Produktionsfirmen und von Förderstellen wie HessenInvestFilm und der Finnischen Filmstiftung zusammen. So mechanistisch, komplex und faszinierend diese Finanzierungsgeschichte ist, so durchschnittlich ist der Film.

Denn was bei all dem scheinbar in den Hintergrund getreten ist, ist die Analyse von Vuorensolas Potenzial als Regisseur. Und das ist leider nicht vorhanden. Erstarrt zwischen beeindruckenden Computeranimationen, einem zotenhaften, selbstgefälligen Drehbuch und uninspirierter Regie, breitet sich vor einem ein Reigen der nicht eingelösten Versprechen aus. Mit den stark texturierten, oft unangenehm sinnlichen und untergriffigen bis zufallssubversiven Naziploitation-Ausgeburten der 1970er hat „Iron Sky“ wenig zu tun.

Nur der wie immer charismatische und über sich hinauswachsende Udo Kier verleiht der maschinellen Schmähparade ein wenig Grazie und Gravitas. Spätestens wenn die Mondnazis auf der Erde von der zukünftigen, an Sarah Palin orientierten US-Präsidentin in den Wahlkampf eingespannt werden, steuert der Film auf den Bodensatz politisch angestrichener Klamotten zu und erinnert an die infantile Komik von Bully Herbig. Die bitterste Erkenntnis, die man aus „Iron Sky“ ziehen muss, ist, dass sich das Wesen des Konzepts „Exploitation“ völlig verändert hat. Es geht nicht mehr darum, ein finanzstarkes System zu verletzen oder ihm räudige Gegenentwürfe vorzusetzen. Es geht darum, es so perfekt wie möglich nachzuäffen.

„Iron Sky“ mag für eine Generation, die mit den Wurstfilmen von George Lucas und Michael Bay aufgewachsen ist, als voll lustiger und ein bisserl arger Film durchgehen. Für alle, die wissen oder auch nur ahnen, welche ideengeschichtliche und ästhetische Sprengkraft im Besonderen der Exploitation-Kultur innewohnt, ist die Existenz dieses Films gleichbedeutend mit einer Ohrfeige.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2012)

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