„Ruhm“: Ein platter Film über ein unheimliches Buch

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Isabel Kleefelds Verfilmung von Daniel Kehlmanns Bestseller wird dem Roman bei Weitem nicht gerecht, hat aber ein paar schöne Momente. Senta Berger berührt stark als todgeweihte Rosalie.

Nach dem Sensationserfolg mit dem Historienroman „Die Vermessung der Welt“ über den Forscher Alexander von Humboldt und den Mathematiker Gauß war klar, dass es für Daniel Kehlmann nicht leicht sein würde, noch einen derartigen Hit zu landen. „Ruhm“ wurde denn auch geteilt aufgenommen: „Brillant“ urteilte die „NZZ“. „Spiegelglatte Designerliteratur“, fand „Die Zeit“. Die Theaterfassung in Reichenau erwies sich als nur mäßig gelungen.

Aber auch die Filmversion von Isabel Kleefeld wird dem Buch nicht gerecht, dessen luftige Eleganz durch Bilder schwer einzuholen ist. In dem schmalen Roman setzt sich Kehlmann mit dem Ruhm auseinander, den er selbst errang, aber auch mit dem Literaturbetrieb und vor allem mit dem Einfluss, den neue Technologien, Handy, Computer auf unser Leben und unsere Identität haben.

Kehlmanns Betrachtung wirkt kulturpessimistisch – wie schon jene des Regietheaters bei seiner Eröffnungsrede für die Salzburger Festspiele 2009 –, aber das Buch ist trotzdem hochinteressant in seiner Vielseitigkeit und seiner rasanten, doch nicht hektischen Bewegung von einem Schauplatz der Handlung zum anderen.

Realismus statt Surrealismus

Hier einen Pfad zu finden, darin hat Isabel Kleefeld, die auch das Drehbuch geschrieben hat, versagt. Ihr Film ist ein Puzzle, manche Episoden aus dem Buch fehlen, andere sind willkürlich zusammengeklebt. Köstlich ist der Beginn: Ein Mann, Techniker, der bei einer Reparaturfirma für elektronische Geräte arbeitet, kauft ein Handy. Stoisch erträgt er die herablassende Behandlung des Verkäufers und geht hernach bei einem Plakat vorbei, das exakt sein Gefühlsleben ausdrückt: „Verloren in der Wüste“ steht da. Es handelt sich um einen Film mit dem Superstar Ralf Tanner – der sich selbst und seine gesamte Existenz an einen Doppelgänger verliert, der schließlich in Tanners Villa einzieht. Der Butler erkennt den echten Ralf Tanner nicht, lässt ihn nicht ein.

Nur einige der neun Roman-Episoden, die untereinander lose, aber höchst raffiniert verknüpft sind, überzeugen im Film. Am stärksten berührt Senta Berger als Rosalie, wiewohl von ihrer Geschichte im Buch wenig blieb: Die an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankte pensionierte Lehrerin beschließt, ihr Ende von einem Schweizer Sterbeverein beschleunigen zu lassen. Nun tritt das Wunder Kehlmann auf, sein Alter-Ego-Autor Leo Richter, der Rosalies Geschichte geschrieben hat, beschließt, ihr die Gesundheit und sogar ihre Jugend zurückzugeben: der Schriftsteller als Schöpfergott.

Skurrilitäten des Literaturbetriebs werden aufs Korn genommen. Kehlmann selbst tritt kurz auf, um Leo Richter eine der typischen Laudationes darzubringen, in gewundenen Sätzen, bei denen man den Verfasser förmlich vor sich sieht, wie er über dem Schreiben dieser gestelzten Floskeln geschwitzt hat. Ganz gut geraten ist die Episode mit der Krimiautorin Maria Rubinstein: Sie wird als Ersatz für Leo Richter auf eine Journalistenreise in einen entlegenen Staat gesandt, verliert dort ihre Gruppe, wird vergessen und muss bei Bauern arbeiten, nachdem sie vom Handy über die Geldbörse bis zum abgelaufenen Visum im Pass alle heutzutage wirklich wichtigen Identitätsmerkmale verloren hat.

Listige Paul-Coelho-Parodie gestrichen

Beziehungen sind brüchig in Kehlmanns Roman, die Menschen krallen sich im Liebesakt aneinander und kommen doch nicht zusammen, was auch sehr komisch ist – im Film wirken diese Begegnungen eher wie allzu geläufige TV-Beziehungskisten. Undeutlich bleibt der köstliche Internetnarr Mollwitt, nach der Rosalie-Episode die zweitbeste im Buch. Der Film verfehlt die Surrealität des Romans, er doktert an einer Realität herum, die bei Kehlmann so gar nicht existiert. Das merkt man besonders in den Szenen zwischen Leo Richter und seiner Gefährtin, einer Mitarbeiterin von „Ärzte ohne Grenzen“: Kehlmann zeichnet sublim den Kontrast zwischen dem Autor, der über den Wassern schwebt und mit seinen Geschichten beschäftigt ist, und der Brutalität, die jene hautnah erleben, die in der echten Welt helfen wollen. Gestrichen ist jene Episode, in der sich Kehlmann mit einem Kollegen befasst: mit Paulo Coelho, der auf eine weit vordergründigere Weise „messianisch“ unterwegs ist als Kehlmann. Coelho wurde im Roman als Miguel Auristos Blancos verewigt, der keineswegs die Weisheit lebt, mit der er seine Leser einnebelt.

Von den Schauspielern überzeugen vor allem Justus von Dohnányi als Techniker, Julia Koschitz als Elisabeth von „Ärzte ohne Grenzen“, Stefan Kurt als Leo Richter und Heino Ferch als Ralf Tanner, der übrigens Bruce Willis ähnelt. In der nächsten Saison hat Kehlmann im Theater in der Josefstadt eine Uraufführung, die Herbert Föttinger inszeniert. Bisher war dieser Schriftsteller, der so fantasievoll wie authentisch, so komplex wie leichtfüßig schreibt, nicht glücklich unterwegs in der Wahl seiner Weiterverwertung. Vielleicht ändert sich das ja jetzt.

Zum Buchautor

Daniel Kehlmann, 1975 in München geboren, lebt in Wien und Berlin. „Die Vermessung der Welt“ wurde in 40 Sprachen übersetzt. Bei Rowohlt erschien zuletzt „Lob. Über Literatur“. Kehlmanns Stück „Der Mentor“ über einen jungen Autor, der Unterricht von einem älteren Kollegen erhält, ist ab November in der Josefstadt zu sehen. Der Plot erscheint als Variation von „Ich und Kaminski“: Alter Kunststar düpiert Kritiker.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2012)

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