Michael Haneke bringt "Amour" zu den Oscars

(c) APA ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
  • Drucken

Sensationserfolg für den Österreicher Haneke: Sein Film "Amour" rittert um fünf Oscars, auch als bester Film und in anderen Hauptkategorien. Er schließt damit zu Kinokünstlern wie Ingmar Bergman auf.

Einen sensationellen Erfolg durfte der Österreicher Michael Haneke mit seinem Film „Amour“ bei der Bekanntgabe der Oscar-Nominierungen am Donnerstag in Los Angeles verbuchen: Für fünf Oscars ist Hanekes Kammerspiel über Liebe und Tod nominiert, darunter in vier der Hauptkategorien. „Amour“ ist unter den neun Kandidaten, die heuer als bester Film nominiert sind, Haneke ist außerdem als bester Regisseur und bester Drehbuchautor eines Originalstoffs im Rennen, seine Aktrice Emmanuelle Riva als beste Hauptdarstellerin.

Haushoher Auslandsoscar-Favorit

Außerdem ist „Amour“ auch noch als bester fremdsprachiger Film nominiert: Beim Auslandsoscar gilt Hanekes Werk als haushoher Favorit, nachdem es überraschenderweise sein vermuteter Hauptkonkurrent, der französische Kassenschlager „Ziemlich beste Freunde“, nicht in die Endauswahl geschafft hat. Nicht ohne Ironie ist dabei, dass auch „Amour“ ein französischsprachiger Film ist: Auf dem Weg zur internationalen Marke im internationalen Kunstkino war die Grande Nation ein wesentlicher Faktor für Haneke. Der österreichische Regisseur hat seine „große Bewunderung für die französische Kultur“ öfter bekundet. Nachdem er im österreichischen TV und Kino seinen unverwechselbaren Stil entwickelt hat und zur Festivalfixgröße wurde, verdankt er seinen internationalen Siegeszug in den letzten 15 Jahren nicht zuletzt französischen Koproduktionen wie „Die Klavierspielerin“ (2001) und „Caché“ (2006).

Schon 2010 war Hanekes deutsche Kindergeschichte „Das weiße Band“ als bester fremdsprachiger Film im Rennen. Doch der Erfolg von „Amour“ hat eine neue Dimension. Bei der Uraufführung in Cannes 2012 holte Haneke damit die Goldene Palme, zahlreiche weitere Auszeichnungen folgten. Die fünf Nominierungen in Spitzenkategorien sind aber ein noch nie da gewesener Oscar-Triumph nach österreichischen Maßstäben und auch im gesamteuropäischen Kontext eine Leistung, wie es sie seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat. Denn Hollywoods Academy, von der die Oscars vergeben werden, steht schon länger im Ruf, sich ganz gefälligem Mainstream-Kino zugewandt zu haben. Filme, die nicht englischsprachig sind, kommen in Hauptkategorien selten zum Zug. Und mit dem Sterbehilfethema und der gewohnt reduzierten Inszenierung ist Hanekes anspruchsvolles Kunststück im Kontext ungewohnt schwierige Kost.

Um Vergleichbares in den Oscar-Annalen zu finden, muss man in die Hochblüte des europäischen Kunstfilms zurückgehen, zu Galionsfiguren wie dem Schweden Ingmar Bergman. Dieser brachte es mit „Schreie und Flüstern“ auch auf Nominierungen beim besten Film sowie als bester Regisseur und Drehbuchautor. Im Jahr 1974!

Kräftemessen mit Spielberg

So wird Haneke bei der Oscar-Gala – fast genau einen Monat vor seinem 71.Geburtstag – am 24.Februar mit Hollywood-Größen wie Steven Spielberg zum Kräftemessen antreten. Und einen Tag davor ist die Premiere seiner Madrider Operninszenierung von „Così fan tutte“, die er bis vor Kurzem vorbereitet hat. Nun ist er schon nach Los Angeles aufgebrochen. Noch eine Ironie: Ausgerechnet Haneke, der sich in Wort und Werk immer wieder gegen den Eskapismus der Traumfabrik gewendet hat, könnte jetzt in Hollywood seinen allergrößten Erfolg feiern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.