Amy Adams: Die Zuckerfee flucht nicht

Amy Adams. Zum fünften Mal ist sie für einen Oscar nominiert.
Amy Adams. Zum fünften Mal ist sie für einen Oscar nominiert.(c) Tobis Film
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In der Gaunerkomödie „American Hustle“ spielt Amy Adams eine Dame, die zwischen zwei Männern steht – dafür wurde sie für den Oscar nominiert.

Am 2. März ist es wieder so weit: dieser entscheidende Moment voller Spannung und Hoffnung, wenn der TV-Splitscreen der Oscars die vier Kandidatinnen für die beste Hauptdarstellerin zeigt und schließlich nur eine übrig bleibt. Amy Adams hat diese Prozedur in den letzten acht Jahren bereits viermal überstanden – wenn auch bisher immer für die Kategorie „Beste Nebendarstellerin“. Gewonnen hat sie bisher noch nie – und sie kommentiert das erstaunlich illusionslos. „Das ist schon in Ordnung“, meint die 39-jährige Amerikanerin mit solchem Nachdruck, dass man ihr gern glauben möchte. „Ich wurde ja nicht Schauspielerin, um von anderen anerkannt zu werden. Ich brauchte einfach einen Job, als ich die Schule abschloss und nicht wusste, was ich tun sollte. Und das hier bot sich an, das hier kann ich. Und ich liebe es, auch wenn es manchmal sehr schmerzhaft sein kann.“

Wenn Adams auf die Zeit lange vor ihrer ersten Oscar-Erfahrung mit dem wundervollen Film „Junebug“ („Junikäfer“, 2005, Tragikomödie um eine britische Kunsthändlerin) zurückblickt, erinnert sie sich an Enttäuschungen und Selbstzweifel. Das ist nicht so leicht nachzuvollziehen, wenn man bedenkt, wie einfach Adams es in vielerlei Hinsicht hatte. Kaum in Hollywood angekommen, hatte die Jungschauspielerin schon nach zwei Wochen einen Agenten und in der Folge eine Reihe an Filmen in petto, die meisten Schauspieler schaffen das in Jahren nicht. Und trotzdem war der Wurm drinnen: Nach ihrem Erfolg in „Catch me if you can“ mit Leonardo DiCaprio war der Druck zu groß. „Ich war als Schauspielerin plötzlich auf einer Ebene, auf der ich unmöglich bestehen konnte, ich hatte nicht das Selbstvertrauen. Nach einer Reihe von miesen Castings dachte ich mir: Das war’s. Ich kann mit diesem Druck und diesen Zurückweisungen nicht mehr umgehen. Ich fühlte mich so verloren.“

Wilde Kostümparty. Die heurige Oscar-Nacht wird auf jeden Fall eine andere Erfahrung. Adams wurde für ihre Rolle als verführerische Hochstaplerin Sydney Prosser in David O. Russells „American Hustle“ nominiert. Sydney ist die bessere Hälfte eines Gaunerpaars, die Geliebte und Partnerin von Irving Rosenfeld, gespielt von Christian Bale. Die beiden genießen ihre Betrügereien, ihre Liebschaft und leben den vollen 1970er-Look aus, bis sie dem ehrgeizigen FBI-Agenten Richie DiMaso (Bradley Cooper) begegnen. DiMaso hat eigene Ideen und setzt das Paar zu seinen Zwecken ein.  Die wilde Kostümparty kann beginnen, und wer zum Schluss übrig bleibt, das ist die Frage. Tatsächlich spielt Amy Adams gleich zwei Rollen, Sydney selbst und die Rolle, die Sydney sich für ihre Tricks einfallen lässt. Aber ihre Vielfältigkeit und überzeugende Performance hat einen tieferen Ursprung. Zum ersten Mal zeigt Adams das tatsächliche Ausmaß ihrer Fähigkeiten. „Ich tendiere dazu, aus reinem Instinkt zu spielen, und ich versuche auch, so zu leben. Wenn ich die Gelegenheit bekomme, eine emotionale Erfahrung zu intellektualisieren, fällt mir das sehr schwer. Wenn ich mich in dem Leben meines Charakters verlieren kann, in seiner emotionalen Wahrheit und Wirklichkeit, dann genieße ich das. Und ich verstehe die Menschheit ein Stückchen besser.“ Und dass Regisseur David O. Russell seinen Schauspielerinnen denselben Respekt zollt wie deren männlichen Kollegen, hilft dabei natürlich auch.

Wenn man bedenkt, dass Adams nun schon seit fast zwanzig Jahren im Business ist, zum fünften Mal dem Oscar entgegenstrebt und mit Größen der Filmindustrie wie Joaquin Phoenix, Christian Bale, Meryl Streep und Clint Eastwood gespielt hat, scheint es unverständlich, wie sie sich konsequent der Regenbogenpresse fernhält. Was ist für sie ein Abenteuer? Auf der Heimfahrt an einem Falafel­stand halten, lautet die überraschende Antwort: „Diese Momente sind das Beste für mich. Ich stand da für eine halbe Stunde, habe zugehört, niemand beachtete mich. Ich glaube, es liegt daran, dass ich klein bin.“

Mormonenfamilie in Colorado. Adams ist einer dieser höflichen, stillen, aber sehr bestimmten Menschen, die oft unterschätzt werden und somit keine reißerischen Geschichten hergeben. Das macht sie nicht zum Fußabtreter. Als Valentinos PR-Team den Fehler beging, ein Foto von Amy beim Begräbnis von ihrem „The Master“-Co-Star Philip Seymour Hoffman für Werbezwecke zu nützen, wurde dem Fashionhaus im Handumdrehen auf die Finger geklopft.

Ein weiteres Puzzlestück dürfte ihre Kindheit in Colorado sein: Sie wuchs inmitten einer neunköpfigen Familie ursprünglich als Mormonin auf. An die Religion fühlt sie sich nicht gebunden, aber bis heute fällt ihr das Fluchen schwer. „Als Kind war ich sehr launenhaft, aber ich war trotzdem froh, eine von vielen zu sein. Das lenkte von mir ab, und ich ziehe das bis heute vor. Ich liebe das Singen und Schauspielern, aber wenn ich in einer Gruppe bin, und da ist jemand mit einer größeren Persönlichkeit, dann sage ich: Bitte, hab Spaß.“

Persönlich ist Amy Adams genau das, was sie in so vielen Rollen darstellt: zuvorkommend und charmant, ein Schatz. Aber nicht in einer doppelbödigen Art. Sie hat Humor, Ehrgeiz, einen Sinn für ihre eigene Sexualität und eine ganze Wagenladung an handfesten Meinungen. Aber in erster Linie ist sie nun einmal reizend wie eine Märchenprinzessin. Die Rolle von Sydney in „American Hustle“ war daher eine Herausforderung. Sydney flucht, lebt mit Gewalt und ist generell das Gegenteil von Amys Kindheitsideal, der Zuckerfee aus dem „Nussknacker“.

„Sydney ist der elendste, traurigste Mensch, den ich je gespielt habe. Sie ist nicht glücklich, und ich bin es gewohnt, Menschen zu spielen, die trotz all ihrer Erfahrungen immer noch ein Licht in sich tragen. Ich bin nicht ganz sicher, dass sie sich das bewahrt hat.“ Sydney hat ihre Spuren an Amy hinterlassen. Sie musste anders mit ihrer Arbeit umgehen als bisher. „Meine große Lektion war die Notwendigkeit, eine separate andere Person zu Hause zu sein. Ich wollte die negative Energie der Sydney nicht nach Hause zu meiner kleinen Tochter mitnehmen. Ich glaube, ich spiele gern glückliche Menschen.“

Tipp

Oscar-Nacht 2014 von 2. auf 3. März, Live-Übertragung auf ORF eins, zuvor Hollywood-Schwerpunkt mit George Clooney („The Descendants“, „The Help“). Die schönsten Roben der Oscar-Gala finden Sie anschließend auf Schaufenster.DiePresse.com

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