TV-Kritik zu Oscars: Das schlechte Gewissen Hollywoods

Chris Rock präsentierte die 88. Oscar-Gala.
Chris Rock präsentierte die 88. Oscar-Gala.(c) AFP (Mark Ralston)
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Moderator Chris Rock kämpfte tapfer gegen die Rolle als Quoten-Schwarzer an, spottete über Hollywood und forderte: "Wir wollen die gleichen Chancen!"

Bereits zum zweiten Mal hintereinander waren bei den Oscars alle 20 Nominierten in den Schauspieler-Kategorien weiße Darsteller. Nur der Moderator der 88. Gala, Chris Rock, war ein Schwarzer. Dass nicht einmal das selbstverständlich ist, machte Rock sofort klar: "Wenn Sie den Gastgeber nominieren würden, hätte ich diesen Job nicht bekommen", sagte Rock, der in seiner Abrechnung mit dem weißen Hollywood auch gleich weiter ausholte und einen kurzen historischen Streifzug machte.

Er verstehe die Aufregung nicht, spottete er. "Es sind die 88. Oscars - das bedeutet, das ist schon 71 andere Male passiert." In den ersten Jahrzehnten habe das allerdings niemanden gestört - schlicht weil es wichtigere Dinge gegeben habe. "Wenn deine Oma vom Baum hängt, ist es schwierig, sich darum zu kümmern, wer für den besten Kurzfilm nominiert ist", so Rock. Das Zitat weckt Erinnerungen an den Song „Strange Fruit“ von Billie Holiday, der von Lynchmorden an Afroamerikanern in den Südstaaten der USA handelt. 

"Das ist unfair"

Rock forderte, dass schwarze Schauspieler "nicht nur einmal" im Leben eine Chance auf eine gute Rolle in einem guten Film erhalten sollten - sondern wie Leonardo DiCaprio jedes Jahr: "Wir wollen, dass schwarze Schauspieler die gleichen Chancen bekommen - nicht nur ab und zu."

Man hätte ihm im Vorfeld geraten, die Moderation nicht anzunehmen. "Das Komische ist: Niemand, der einen Job hat, sagt dir je, du sollst etwas hinschmeißen." Er verstehe aber natürlich, dass sich Prominente wie Jada Pinkett-Smith über die Diskriminierung aufregen würden. "Es ist nicht fair, dass Will (ihr Ehemann, Anm.) nicht nominiert war. Und es war auch nicht fair, dass Will für 'Wild Wild West' 20 Millionen Dollar erhalten hat."

Oscars 2016 oder die "White People's Choice Awards"

Nach dieser erwartet bitterbösen Eröffnungsrede gegen die "White People's Choice Awards" kehrte der in einem weißen Sakko auftretende Rock aber immer wieder - das wurde wohl weniger erwartet - zu diesem Thema zurück. Mit anderen Worten: Das personifizierte schlechte Gewissen Hollywoods verschwand nicht einfach wieder. Weiter hielt Rock Hollywood einen Spiegel vor. So traf er vor einem Kino in Compton, einem Vorort von Los Angeles, schwarze Kinozuseher, die er interviewte. Den Kinogehern sagten nominierte Filme wie "Spotlight" überhaupt nichts, der von der Oscar-Jury übergangene Streifen "Straight Outta Compton" aber umso mehr.

Chris Rock und der Verkauf von Cookies.
Chris Rock und der Verkauf von Cookies.(c) Reuters (Mario Anzuoni)

Was danach kam, war allerdings ein wenig bieder, banal und zäh wie Strudelteig. Oder genauer: Wie Pfadfinderkekse. Rock ließ seine Töchter und Freundinnen im Saal Kekse verkaufen. Die Hollywoodstars wedelten also artig mit den Geldscheinen. Dann wurde es noch ein letztes Mal böse, als der Moderator drei Kinder auf die Bühne holte und Kinderarbeit anprangerte. "Wer sich darüber beschweren möchte, sollte das auf seinem Smartphone tun, das genau von diesen Kindern hergestellt wurde".

Rock, der sonst gern den Clown macht, setzte sich mit seinem Auftritt auch tapfer gegen Vorwürfe zur Wehr, den Quoten-Schwarzen einer sonst weißen Oscar-Gala zu geben. Denn auch wenn die Show keine herausragende war, erfüllte er seine Hauptaufgabe als schlechtes Gewissen Hollywoods vier Stunden lang mit Bravour.

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