Die Familientragödie des iranischen Regisseurs Asghar Farhadi gewann den Oscar in der Kategorie bester fremdsprachiger Film – für das Staatsfernsehen in Teheran ein Sieg über das „zionistische Regime“.
Vor der Oscar-Verleihung war der iranische Kandidat, „Nader und Simin – Eine Trennung“ von Asghar Farhadi, in der Heimat umstritten. Wiewohl ein Erfolg beim Publikum und auch national preisgekrönt, warfen insbesondere islamische Hardliner dem Berlinale-Sieger von 2011 vor, er würde „jenes schmutzige Bild unserer Gesellschaft zeigen, das man sich im Westen wünscht“, wie es der iranische Autor Masoud Ferasati im iranischen Staatsfernsehen formulierte.
Dort scheint jetzt ein anderer Wind zu wehen: Nachdem „Nader und Simin“ den Oscar für den besten fremdsprachigen Film erhielt, meldete das iranische TV, man habe einen Film des „zionistischen Regimes“ hinter sich gelassen (gemeint war die auch für den Auslands-Oscar nominierte israelische Produktion „Footnote“). Regisseur Farhadi dankte jedenfalls diplomatisch, nachdem ihm Sandra Bullock die Statuette überreicht hatte: „Ich widme den Oscar den Menschen im Iran.“ Er äußerte sich auch zum Atomstreit zwischen Teheran und dem Westen: Die Iraner seien „ein Volk, das alle Kulturen und Zivilisationen respektiert und Feindseligkeit und Ressentiments verachtet“.
Ein Gesellschaftsbild als Justizdrama
In „Nader und Simin“ erzählt Farhadi von Menschen, deren Leben durch einen Fehltritt aus der Bahn geworfen wird. Das titelgebende Ehepaar will sich scheiden lassen, Mutter Simin mit der elfjährigen Tochter Termeh das Land verlassen. Vater Nader aber möchte in Teheran bleiben, um seinen dementen Vater zu pflegen. Der Scheidungsantrag wird vom Richter abgelehnt: „Mein Urteil lautet, dass euer Problem zu klein ist.“ Als Nader die tief religiöse Razieh als Pflegerin für den bettlägrigen Vater engagiert, kommt es zu weiteren Komplikationen, bei denen Razieh ihr ungeborenes Kind verliert. Nader wird wegen Totschlags angeklagt, im Zuge mehrerer Anhörungen entfaltet sich ein Gesellschaftsbild als Justizdrama: In der Konfrontation zwischen dem Mittelstandspaar Nader und Simin und ihren Unterklasseklägern werden Risse in der Gesellschaft sichtbar, parallel dazu verläuft die menschliche Tragödie des titelgebenden Paars und werden Einblicke in das Leben und vor allem die rechtliche Praxis im Iran vermittelt.
Der Alltag in einem totalitären Regime, sonst eher nur über Schlagzeilen und Fernsehnachrichten vermittelt, wird von Farhadi vielschichtig präsentiert. Er hatte wie viele Regisseure im Iran mit der Zensur zu kämpfen, allerdings nicht in dem Ausmaß wie offen kritischere Kollegen, etwa der unlängst zu Haft und Berufsverbot verurteilte Jafar Panahi. „Nader und Simin“ ist der erste iranische Film, der einen Oscar erhielt. sig