Der aufregende, ganz andere Franz Lehár

Österreich-Bild aus dem Landesstudio Oberösterreich: ''Dein ist mein ganzes Herz ....'', 'Bad Ischl und die Operette.'
Österreich-Bild aus dem Landesstudio Oberösterreich: ''Dein ist mein ganzes Herz ....'', 'Bad Ischl und die Operette.'(c) ORF (ORF Oberösterreich)
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Die Operettenfestspiele Bad Ischl machen dem Genius Loci Ehre: Neben Zellers populärem „Vogelhändler“ präsentieren sie heuer Lehárs selten gespielte „Zigeunerliebe“

Wozu Festspiele? Zum Beispiel dazu: Bad Ischl veranstaltet traditionell Operettenaufführungen während des Sommers und lässt es nicht damit bewenden, Populäres immer wieder zum Besten zu geben. In der laufenden Saison kombiniert Intendant Michael Lakner beispielsweise Carl Zellers „Vogelhändler“ – rettungslos ausverkauft – mit Franz Lehárs rarer „Zigeunerliebe“.

Operettenkenner wissen gerade noch, dass es diesen Titel gibt, Lehár-Verehrer bezeichnen das Werk als das irgendwie „Besonderste“, das der notorische Hang zum Opernhaften dem Komponisten eingegeben hat. Grund genug, das Stück wieder einmal neu zu inszenieren.

Ein Stück für den Connaisseur

Ischl sah die „Zigeunerliebe“ zuletzt vor 30 Jahren. Im internationalen Repertoire fehlt das Werk völlig. Der Musikfreund, der daher nicht weiß, was ihn erwartet, ist schlicht überwältigt. Allein die ersten 20 Minuten würden die Fahrt ins Salzkammergut schon lohnen! Da ist Franz Lehár ein kleines Monodram gelungen, das mühelos an die Seite der interessantesten Musiktheaterversuche der Ära kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs gestellt werden kann.

Nirgendwo ist dieser Komponist kühner als hier, wenn er seine Heldin in einer visionären Szene, in völliger Verzweiflung zeigt: Die schöne Zorika aus gutem Hause soll den braven, gut situierten Jonel heiraten, liebt aber den freizügigen Zigeunerprimas Jozsi. Sie wird an dieser Liebe zerbrechen. Man spürt das bereits in dieser musikalisch grandios gestalteten Eingangsszene – inklusive pittoreskem Orchestergewitter, das Marius Burkert mit dem Lehár-Orchester auf Blitz und Donner punktgenau entfesselt.

Farbenprächtig aufrauschende Instrumentalklänge tragen die Singstimme in eine Klangwelt jenseits jeglicher Operettenseligkeit. Die Ischler Diva Miriam Portman hat ihre große Stunde – blühend schöne Soprantöne in einer musiktheatralischen Tondichtung, die als Initialzündung zu einer spannenden Melange aus Traum und Wirklichkeit fungiert.

Mit der Zeit apern aus dem symphonischen Fluss der Partitur auch veritable Unterhaltungstheaternummern heraus. Doch nicht einmal die zündenden Tanzszenen des hinreißend komischen Buffo-Paars – Verena Barth-Jurca und Thomas Malik – laufen nach Schablone ab. Immer überrascht Lehár mit unerwarteten Effekten; auch im Terzett der beiden Komödianten mit dem eitlen Gutsbesitzer von Tomaz Kovacic. Leonard Prinsloo führt die Figuren liebevoll durch das Psychodrama oder – wie im Fall der Buffo-Szenen – behutsam daran vorbei. Man spielt in Ischl die Urfassung mit Dialogen. Lehár hat sein Werk später als Oper „durchkomponiert“ – das wäre eine lohnende Aufgabe etwa für die Wiener Volksoper und würde den Meister der „Lustigen Witwe“ von einer unbekannten Seite zeigen.

Renaissance eines Meisterwerks

Das „Lehár-Festival“ hat heuer vielleicht den Beginn einer Renaissance eines Meisterwerks eingeläutet. Und den einer Tenorkarriere, wer weiß, denn den Zigenauerprimas gibt Jevgenij Taruntsov mit Verve und bombensicheren Höhen. Marko Radonic steht ihm als Doppelgänger zur Seite und spielt die Geige. Prinsloo löst dieses Vexierspiel virtuos auf.

Die restliche Besetzung mit Gerhard Balluch als alterweisem Wirt – und ärztlichem Betreuer der wahnsinnig gewordenen Zorika – ist so engagiert bei der Sache wie Chor und Musikanten. Lehár-Festspiele, fürwahr.

Auf einen Blick

Lehárs „Zigeunerliebe“ kam 1910 im Theater an der Wien zur Uraufführung und wurde später in einer durchkomponierten Opernversion ohne Dialoge präsentiert.

Zehn Aufführungen der Neuinszenierung sind in Bad Ischl neben Zellers „Vogelhändler“ bis 2. September noch zu sehen.

Soloabende geben Gerhard Baluch (31. Juli), Ulrike Beimpold (7. August) und Sona Ghazarian mit Herbert Lippert (18. August)Mehr unter www.leharfestival.at.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2012)

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