Haltungsturnen auf dem Koloraturenschlachtfeld

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Die Wiederaufnahme von Händels „Giulio Cesare“: musikalisch begeisternd, szenisch angefeindet.

Fesch. Am Ende wird champagnisiert, man hat sich in Schale geworfen, bunte Hütchen auf dem Kopf und Tröten im Mund. Julius Caesar prostet seiner Kleopatra zu, und auch die Gattin des gemeuchelten Pompeius, Cornelia, hat das Abendkleid angelegt. Dass ihr Sohn Sextus noch paralysiert daneben am Boden hockt, wundert nicht, hat er doch eben seinen Vater gerächt und Kleopatras Bruder Ptolemäus das Bajonett in den Bauch gestochen. Zum Schlusschor singt er dann schon wieder mit, und auch Ptolemäus wird von den Toten erwacht sein.

Partystimmung also im Finale von Händels „Giulio Cesare“ im Haus für Mozart. Die Sommerzeit scheint reif für den ersten Salzburger Festspielball, der bald das heurige Festival krönen soll. Viermal läuft davor noch die letzte Opernproduktion „Giulio Cesare“, nach „Carmen“ die zweite Wiederaufnahme von Alexander Pereiras erster Saison.

Die Bartoli im glitzernden Goldkleid

Cecilia Bartoli glitzert nicht nur als frisch gekrönte Cleopatra im Goldkleid auf der Bühne, als künstlerische Leiterin der Pfingstfestspiele hat sie auch diesen „Giulio Cesare“ verantwortet. Erneut kann man von einem musikalisch blendend gelungenen Abend berichten. Rund um ihre geläufige Gurgel, die alle Affekte auszuloten versteht, gurrend und zirpend verführt oder sirenenhaft trauert und schmachtet, hat die Bartoli wieder den luxuriösen Kollegentrupp um sich geschart, der zu Pfingsten gefeiert wurde. Die Countertenor-Quadriga, an deren Spitze Philippe Jaroussky süße Bögen spinnt und gespannt-rasant durch die Koloraturen stürzt, Christophe Dumaux als auch stimmlich prachtvolles Ekelpaket Tolomeo, Andreas Scholls Cesare, der mit famoser Phrasierungskunst und großer Geläufigkeit die etwas flaue Tiefe vergessen lässt, und der Senior, Jochen Kowalski, der als Nirena erneut seine köstliche Kammerdienerinnenstudie abliefert.

Dazu gesellt sich die wunderbare Anne Sofie von Otter als Cornelia, poltert Ruben Drole als Achilla mit kernigem Bass, ist Peter Kálmán als Curio treffend besetzt. Giovanni Antonini leitete die Ägyptenexkursion am Pult seines mitunter recht rau klingenden „Giardino armonico“ mit großem Animo, das man sich gelegentlich flexibler und einfühlsamer gewünscht hätte. Auch die tanzenden Soldaten kehren wieder, kämpfen sich agil durch den langen Abend. Dass sie im Hintergrund ägyptisches Haltungsturnen betreiben, während Cleopatra lamentiert, ist Choreografin Beate Vollack zu danken.

Die Sänger führen tapfer aus, besser: bezwingen mit ihrem Gesang, was das Regieteam Moshe Leiser und Patrice Caurier verordnet hat. Irgendwie fühlt man sich in der Produktion wie in einem überdimensionalen, mit Spielzeug voll geramschten Kinderzimmer gefangen (Bühne: Christian Fenouillat), in dem die Kleinen mit ihren Soldaten, Spielfiguren, Gummikrokodilen und -schlangen, Spielzeugautos, Panzern und Raketen die Geschichte von Caesar und Kleopatra nachspielen. Man kann den Regisseuren nicht vorwerfen, sie verstünden ihr Handwerk nicht. Aber dass ihre Ideen in erschreckend seichten Gewässern grundeln. Es bleibt eine trashig unernste Bilderflut, ziemlich gaga, teuer, sinnlos. Am Ende ein pfingstliches Déjà-vu: großer, verdienter Jubel für die Musiker, Buhorkan fürs Regieteam.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2012)

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