Der Theaternarr: Zum Tode Gotthard Böhms

„Presse“-Theaterkritiker und treuer Vasall des Wiener Opernchefs Egon Seefehlner.

Er war einer jener Connaisseurs, die sich in Gesellschaft in Zitaten unterhalten konnten – ob Schiller, Kleist oder Hofmannsthal, Wagner oder Da Ponte: Gotthard Böhm kannte seine Klassiker. Dass es „seine“ waren, konnte man nachlesen. In den Sechzigerjahren war Böhm eine der jugendlichen Hoffnungsträger des Wiener Kulturjournalismus. Seine Feuilletons – er schrieb Kritiken, die diesen Namen verdienten, als die Zeitungen noch in guter österreichischer Tradition „Kulturseiten“ publizierten – schöpften stets aus jenem Humus klassischer Bildung, der ihm zur Verfügung stand.

Doch lasen sie sich nie „hochgelahrt“, wie Böhm jetzt gewiss gesagt hätte, sondern amüsant, hintergründig. Die Leserschaft ging solcher Qualitäten verlustig, weil einer der Großen der Wiener Nachkriegskulturszene, Egon Seefehlner, den Freund für Funktionen hinter den Kulissen benötigte, als er 1976 die Führung der Staatsoper übernahm.

Im Ruhestand blieb er einer der geistreichsten Gesprächspartner, die sich ein Theaterliebhaber wünschen konnte. Nun ist Gotthard Böhm 76-jährig gestorben. sin

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2012)

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