Joyce DiDonato: Eine Queen für alle Fälle

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Arienabend der Dramen: Mit erstaunlichem Showtalent erweckte die amerikanische Mezzosopranistin DiDonato barocke Frauenschicksale zum Leben. Die Ausdruckskraft der Sängerin ist so wandlungsfähig wie ihre Robe.

Großer Robenbahnhof im Theater an der Wien. US-Mezzostar Joyce DiDonato absolvierte am Sonntag einen ihrer seltenen Auftritte in Österreich. Und wie auf dem Cover ihrer aktuellen CD „Drama Queens“ erschien sie auch in Wien in feuerroten Stoff gehüllt, um all die wunderbaren Affekte barocker Opernheroinen durchzudeklinieren. Ein Unternehmen, das sie mit dem Programm ihrer neuen Aufnahme gerade durch Deutschland, mit Abstecher Wien, und durch einige US-Städte führte und führt.

Wie adelige Frauen fühlen

Was in anderer Konstellation ein edel kultivierter Arienabend hätte sein können, wurde im Theater an der Wien dank des Showtalents von Joyce DiDonato zur aufregenden Reise durch das musikalische Leben adliger Frauengestalten und ihrer Dramen. Wandlungsfähig wie ihre rote Robe, die sie einmal mit Schleppe, dann ohne, zunächst enger ums Bein geschnitten und später als raumgreifenden Reifrock, einmal schulterfrei, dann mit ausladenden Ärmeln trug, weiß DiDonato auch ihren diversen „Queens“ Ausdruck zu verleihen. Nicht nur stimmlich, ebenso in Geste, Haltung, Bewegung, Mimik formte sie aus jeder Szene ein Minidrama.

Als Orontea, Königin von Ägypten, sehnte sie sich in Cestis gleichnamiger Oper gleich zu Beginn nach der Liebe des nicht standesgemäßen Geliebten. Es folgten die von Monteverdi vertonte Wut und die resignativen Rachegelüste der von ihrem Gatten Nero zugunsten von Poppea verstoßenen Ottavia. Bis sich DiDonato am Ende des ersten Teils in Orlandinis „Berenice“ als jüdische Königin Hoffnung auf die Liebe des römischen Feldherrn Titus machen konnte. Dazwischen gab es kleine Ruhepausen für die Sängerin, in denen das mit subtilem Originalklang begleitende Ensemble Il Complesso Barocco Instrumentales einwerfen durfte. Unter anderem Vivaldis Violinkonzert RV 242, mit dem Beinamen „Pisendel“. Als Solist fungierte der Geiger Dmitry Sinkovsky, der auch als musikalischer Leiter die Arien befeuerte. Als Vivaldi-Solist ergriff der blendende Musiker die Chance, gehörig aufzudrehen, wenn er auch den Violin-Virtuosen für ein Vivaldi-Konzert vielleicht ein wenig zu überambitioniert demonstrierte.

Cleopatra spuckt Koloraturen

Hasse, Händel und Giovanni Porta folgten: Cleopatra einmal als koloraturenspuckende, stolz dem Tod entgegenblickende Königin bei Hasse und dann mit dem bestens bekannten Klagegesang „Piangerò la sorte mia“ aus der Händel-Vertonung. Hasse wie Händel und Portas traurige „Ifigenia“ waren ideale Vehikel, um DiDonatos Können zu beweisen: Die Stimme ist koloraturgewandt, kann aber genauso bis in die Regionen zart brüchiger Verzweiflungslyrik zurückgenommen werden, wie sie in schwebend leicht oder kraftvoll und hell gemeisterte Höhen vorzudringen weiß. Zarte Ballettklänge aus Glucks Feder brachten noch einmal einen charmanten Ruhepunkt vor der versöhnlichen Pracht einer in erfüllter Liebe jubelnden Prinzessin Rosanne aus Händels „Alessandro“. Grund für königlichen Jubel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2012)

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