Goethe-Lieder, Trauer und Trost

Friedrich Cerha
Friedrich Cerha(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Beziehungsreiche Rückblicke auf die Moderne der Vätergeneration – und bald bizarre, bald elegische Orgelnovitäten von Friedrich Cerha.

Natürlich Anton Webern: die kristalline Klarheit der Symphonie op. 21. Und Edgard Varèse, „Octandre“, süffig, kantig, rituell. Aber auch Luigi Dallapiccola, etwa seine von drei Klarinetten begleiteten Goethe-Lieder (1953), deren Linien sich gleichsam geschmeidig an von Webern vorgedachte Strukturen anschmiegen. Oder Gerd Kühr, der in „Streifton“ 1993 farbig und mit Elan die 1926 konzipierte „Abstrakte Revue“ Andor Weiningers musikalisch reflektierte: vielfältige, eindrucksvoll gelöste Aufgaben für die Sängerin Alda Caiello und das Ensemble Kontrapunkte unter Peter Keuschnig im Brahmssaal des Musikvereins.

Wien Modern feiert seine 25. Ausgabe: Das fordere „auch eine Analyse des Gewesenen und des ,Leider-nicht-Gewesenen‘“, hieß es vor Beginn. Dass freilich ausgerechnet die Konzertreihe „Ausgewählt von Lothar Knessl“ (eine Reverenz an den Geburtshelfer und jahrelangen Festivalkurator) ein neues „Leider nicht“ traf, war ein Unglück: Wie berichtet, machte ein zu lauter Herbert Grönemeyer nebenan das fragile Quartett von Nono unmöglich; das Konzerthaus entschuldigte sich und bietet den Leidtragenden zwei Freikarten für eines von fünf Konzerten der zweiten Saisonhälfte mit Neuer Musik.

Fünf Termine umfasste auch die erwähnte Knessl-Reihe, wobei sich der zunächst recht bunt anmutende Kontrapunkte-Abend als besonders beziehungsreich und poetisch erwies. Expressiver Höhepunkt: Dallapiccolas letztes Werk, „Commiato“ für Stimme und Ensemble (1972), harsche Klagelaute und sanft tönender Nachhall zwischen Trauer und Trost.

Wien Modern kooperiert auch mit der Musikuniversität. Das längst traditionelle internationale Symposion vereinte diesmal unter dem Titel „Neue Musik als weltanschauliche Botschaft“ Beiträge von Semiotik bis zu speziellen kompositorischen Strategien. Und am Donnerstag spielten Martin Haselböck sowie die Studierenden Jan Rotrekl, Luca Lavuri und Maria Grillenberger in der Kirche St. Ursula die Uraufführung von je neun Präludien und Inventionen für Orgel von Friedrich Cerha: knappe, bald kapriziös-bizarre, bald nachdenklich-elegische Stücke im kontrastreichen Wechsel, hell und transparent, oft nach oben sich verflüchtigend. Viel Applaus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2012)

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