Pendereckis vielseitiges Tagebuch

Streichorchester
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Das Kopelman Quartett spielte im Musikverein Franck, Borodin und Penderecki. Mikhail Kopelman, Primarius des Quartetts, führte mit zuweilen sehr kräftigem Strich und wenig nuancierter Dynamik seine Mitstreiter an.

Lässt sich ein nicht geschriebenes Tagebuch vertonen? Und wenn ja, wie? Krzystof Penderecki hat sich diese Aufgabe gestellt, als er 2008 den Auftrag erhielt, für das Shanghai Quartet ein Werk zu schreiben, dem er schließlich den Titel „Blätter eines nicht geschriebenen Tagebuches“ gab. Erfahrung mit der Komposition von Quartetten hatte er schon gesammelt, auch wenn dies schon einige Zeit zurücklag: Sein erstes Streichquartett entstand 1960, das zweite 1968.

Mit seinem dritten, beim Festival zu seinem 75. Geburtstag 2008 in Warschau uraufgeführten Streichquartett durchmisst Penderecki, dramaturgisch geschickt auf das Finale konzentriert, verschiedene Atmosphären. Nach einem von der Viola – die später in einer virtuosen Kadenz glänzen darf – eingeleiteten langsamen Teil geht es rasch in ein motorisch durchpulstes Vivace, das in eine Walzerepisode mündet. Daraus erwächst ein stark chromatisiertes Notturno, ehe die Gedanken des Vivace wieder aufbrechen und in eine Zigeunermelodie führen, die Penderecki in der Jugend durch seinen Vater vermittelt bekam. Noch einmal wird an die bisherigen Themen erinnert, von Weitem klingt das Zigeunermotiv echoartig nach.

Beeindruckende Deutung

Ein dankbares Stück für Interpreten, die nicht nur über Virtuosität, sondern auch über Flexibilität verfügen und Freude an pointierten melodischen Entwicklungen haben. So interpretierte es auch das aus früheren Absolventen des Moskauer Konservatoriums bestehende Kopelman Quartett. Wohl hätte man sich die Walzermomente subtiler, das Adagio-Notturno elegischer vorstellen können, doch insgesamt war es eine beeindruckende Deutung.

Mikhail Kopelman, Primarius des Quartetts, führte mit zuweilen sehr kräftigem Strich und wenig nuancierter Dynamik seine Mitstreiter an. Die hatten es – wie schon das einleitende, routiniert präsentierte zweite Borodin-Streichquartett zeigte – nicht immer leicht, sich entsprechend Gehör zu verschaffen. Selbst beim finalen César-Franck-Klavierquintett musste die brillante Elisabeth Leonskaja zuweilen alle Kraft aufbieten, um den herzhaft auftrumpfenden Streicherkombattanten Paroli zu bieten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2012)

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