Volksoper: Figaro, nostalgisch verpackt

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Marco Arturo Marelli erinnert sich an seine Wiener Anfänge und inszeniert proper und hübsch Mozarts „Hochzeit des Figaro“. Musikalisch läuft's nicht ganz so rund.

„Dove sono i bei momenti“, singt die Contessa Almaviva im dritten Akt von „Le nozze di Figaro“. Wo sind die schönen Augenblicke hin? Das fragt sich die Gräfin seit Sonntag auch wieder in der Wiener Volksoper. Man spielt das Werk hier nämlich traditionell auf Deutsch, dankenswerterweise samt deutschen Übertiteln, und beschwört damit gleich auch die schönen Momente der eigenen Vergangenheit.

Es war in der Ära Wächter, als 1989, im Rahmen eines Zyklus der drei Da-Ponte-Opern, „Die Hochzeit des Figaro“ Premiere feierte. Ein Riesenerfolg. Die bald legendär gewordene Trias war Startschuss der Regiekarriere von Marco Arturo Marelli, seither treuer Gast am Haus. Man holte ihn auch jetzt, mit der Absicht, seinen „Figaro“ neu einzustudieren. Nachdem aber eine Auffrischung zu teuer gekommen wäre, entschied man sich gleich für eine Neuinszenierung.

Neue, einfachere Bühnenbilder

Marelli ging in gewohnter Qualität ans Werk, entwarf neue, einfachere Bühnenbilder und studierte eine blitzsaubere Aufführung ein. Er folgt dabei seiner Überzeugung, dass eine Modernisierung des Stückes nur dessen Verständnis vom sozialen Gefüge der handelnden Personen erschweren würde. Also hat er flink verschiebbare Mauerelemente gebaut, die flugs immer wieder neue Räume im Schloss von Graf Almaviva ergeben. Auf diese Kulissen sowie auf eine die Bühne verschließende Blende hat er barocke Malereien übertragen lassen: Einmal einen „Sturz der Giganten“ des Goya-Schwagers Francisco Bayeu y Subías, der für den im Stück thematisierten gesellschaftlichen Umbruch und die dräuende Revolution steht. Außerdem ein Diana-Fresko von Daniel Gran, wobei Diana hier als Hüterin der Jungfräulichkeit gemeint ist. Stichwort: Ius Primae Noctis, welches der Graf für Susanna einfordert.

Der Graf, ein grantiger Chef

Das ideale Umfeld für Marellis fein choreografierte, eingängige und auch mit manch draller Pointe aufwartende Arbeit, zu der Dagmar Niefind die barock inspirierten Kostüme lieferte. Naht- und bruchlos würde sich der neue Abend in den alten Da-Ponte-Zyklus einfügen. Alles ist so lieblich, sympathisch und nett, dass man beinahe vergisst, was an sozialer Munition, an Schärfe in dem Opus steckt. Der Graf wirkt nicht besonders gefährlich, eher wie ein manchmal etwas grantiger Chef, Susanna und die Gräfin scheinen längst beste Freundinnen zu sein und am Ende hat die Revolution wohl unbemerkt schon stattgefunden: Da öffnet sich noch einmal die Bühne und zeigt eine runde Tafel, die alle zum Fest einlädt. Zumindest die Egalité scheint da schon eingelöst.

Musikalisch läuft der neue Mozart-Abend nicht ganz so rund. Rebecca Nelsen ist als Susanna entzückend anzuschauen, agiert munter und singt mit zartem, soubrettigem Ton eine artige Susanna, bleibt aber dennoch ein wenig blass in dieser zentralen Rolle. Ähnlich ergeht es ihrem Figaro, den Yasushi Hirano mit bravem, in der Tiefe etwas schwächelndem Bariton singt.

Herb-burschikoser Cherubino

Bei einem solchen Gegenüber hat Konstantin Wolff keinen allzu schweren Stand. Er stattet seinen Grafen mit markanter Präsenz aus, auch wenn ihm gegen Ende ein wenig die Kondition ausgeht. Punkten kann ebenso Jacquelyn Wagner, die ihren in der Höhe manchmal etwas scharfen, aber dennoch schön fließenden Sopran der Gräfin leiht. Dorottya Láng bemüht sich um einen herb-burschikosen Cherubino, dem leider die Höhen immer wieder verrutschen. Stefan Cerny orgelt seinen Bartolo über Gebühr kraftvoll, Paul Schweinester legt seinen stimmlich feinen Basilio um einen Deut zu outrierend an, während Mara Mastalir eine frech-entzückende Barbarina ist. Sulie Giriardi (Marcellina), Martin Winkler (Antonio) und Wolfgang Gratschmaier (Don Curzio) runden das Ensemble anständig ab.

Erstaunlich zurückhaltend gab sich der Volksopernchor als den Altersschnitt überdeutlich hebende Jugend Sevillas. Am Pult hatte Dirk Kaftan alles fest im Griff. Mit den in bester Mozart-Laune aufspielenden Musikern sorgte er für schön ausdifferenzierte Orchesterbegleitung, die an Spritzigkeit im Lauf der Reprisen sicher noch gewinnen wird. Alles in allem ein nicht gerade revolutionärer, aber erwartbar runder Abend, dem sich das Publikum protestlos und begeistert ergab.

Auf einen Blick

Never change a winning team: Vor über zwanzig Jahren begann die Regiekarriere von Marco Arturo Marelli mit einem Da-Ponte-Zyklus an der Wiener Volksoper. Jetzt kehrte er für „Die Hochzeit des Figaro“ noch einmal zurück und lieferte, was man erwarten konnte: einen schönen, braven, gut und harmonisch funktionierenden Abend.

Unter den Sängern stechen Konstantin Wolff und Jacquelyn Wagner als Graf und Gräfin hervor. Weitere Vorstellungen: 27. und 30.11. sowie 3., 6., 11., 18. und 28. Dezember 2012.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2012)

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