Staatsoper: Ein „Liebestrank“ ist keine Castingshow

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Juan Diego Flórez ist der unumschränkte Diktator seiner Stimme und derzeit ein konkurrenzloser Nemorino. Die Wiener Staatsoper schenkt Donizettis Liebestrank noch am 28.November und am 3.Dezember aus.

Theoretisch könnte dieser „Liebestrank“ in der aktuellen Aufführungsserie der Staatsoper nach zwanzig Minuten vorbei sein – wenn Adina systematisch vorginge und die beiden um sie werbenden Herren einfach wie bei einer Castingshow antreten ließe. Schon bei den ersten Takten der Cavatina „Quanto è bella“ von Juan Diego Flórez' Nemorino stünde der Sieger fest; auch dank schlechter Haltungsnoten hätte der Belcore Levente Molnárs nicht den Hauch einer Chance. Doch die Liebe ist keine Castingshow, und deshalb wird es Libretto-gemäß dann doch etwas komplizierter.

Was ein Glück ist, wäre man sonst doch um das komödiantische Talent Adam Plachetkas als Dulcamara ebenso umgefallen wie um die rare Gelegenheit, ein Da capo zu erleben. Wenn die Namen Flórez und Donizetti auf dem Besetzungszettel stehen, steigen freilich die Chancen, und es schien fast, als würde man im Orchestergraben schon Wetten darauf abschließen.

Flórez ist als Nemorino schwer zu überbieten. Darstellerisch kaum – er würzt die aufpolierte Schenk-Inszenierung mit einer Breitseite Extra-Spaßettln –, vokal sowieso nicht: Mit Respekt gebietender technischer Perfektion und der lückenlosen Kontrolle über seinen Tenor ist er der unumschränkte Diktator seiner Stimme. Einer Stimme, der völlig unangestrengte Spitzentöne in strahlendem Forte ebenso zu Gebote stehen wie ein betörendes Piano und eine Linienführung, die sich wie Balsam an die Gehörgänge schmiegt. Das sahen mindestens 99,9Prozent des Publikums ähnlich, und so durfte er sein „Una furtiva lagrima“ wiederholen. Wobei, was heißt wiederholen? Beim Da capo geriet die Arie noch berührender, glaubwürdiger: Jeden Buchstaben von „morir“ (sterben) nahm man ihm ab.

Wer ist hier der Bauer?

Abgenommen hat er dafür Dulcamara dessen Trank, was bei der mit Witz und Charme unterfütterten Überzeugungskraft Plachetkas kein Wunder ist, dessen Bassbariton allerdings schon fülliger geklungen hat. Stimmlich eher eindimensional geriet der Belcore Levente Molnárs. Den galanten Sergeanten, von dem er sang, suchte man zudem vergeblich. Molnár agierte reichlich grobschlächtig und wäre jedenfalls der bessere Klischeebauer gewesen. Letztlich hatte er bei Adina alias Sylvia Schwartz keine Chance, die mit einem entzückenden Spiel begeisterte, deren sicher geführter Sopran in den höheren Lagen jedoch manche, einer Adina nicht recht kleidsame, Schärfe hören ließ. Das Staatsopernorchester agierte mit sichtlichem Spaß und jener Präzision, die dieser Partitur erst ihren Witz verleiht, ließ sich von Dirigent Guillermo García Calvo allerdings manchmal dazu verführen, die Sänger zu überdecken. hd

Die Wiener Staatsoper schenkt Donizettis Liebestrank noch am 28.November und am 3.Dezember aus, jeweils um 20.00.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2012)

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