Novemberstimmung und Wahnsinnstöne in Liedgestalt

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Soile Isokoski setzte sich im Musikverein mit vokaler Feinarbeit und eindringlichem Vortrag für Klassiker und Raritäten ein. Diesmal rückte die finnische Sopranistin das verlängerte 19. Jahrhundert ins Zentrum.

„Grabt ein sanftes Grab.“ Unangenehm hoch liegt die Phrase, in einer Gegend, die manchen Stimmen schon eine Spur naturalistischer Qual abnötigen könnte. Doch Soile Isokoski kann sie sanft ansetzen, wohllautend ausbreiten und dabei doch auch in schmerzlichen Klang hüllen, sodass sie zur expressiven Klagegebärde wird. Trist, Abschied nehmend, bald wie vom Sturm gepeitscht, bald mild tröstlich klingt der 1930 entstandene Liederzyklus „Syksy-sarja“ (Herbst) op. 68 von Leevi Madetoja. Darin zeichnet der einstige Schüler von Sibelius novemberlich trübe Naturstimmungen und hebt sie in schwerblütig satten, an Brahms orientierten Strukturen und Farben auf eine höhere Ebene: Schönheit und Trauer fallen so auf ausdrucksvolle Weise zusammen.

Für die meisterliche finnische Sopranistin gehört der Einsatz für die Musik aus ihrer Heimat ebenso selbstverständlich zum Künstlerleben wie das Aufspüren von Raritäten der letzten Jahrzehnte. Diesmal rückten sie und ihre stets verlässliche Klavierpartnerin Marita Viitasalo das verlängerte 19. Jahrhundert ins Zentrum: mit Madetoja und den duftig-tonalen „Trois mélodies“ von Olivier Messiaen, auch aus dem Jahr 1930, in denen poetischer Klangzauber im Gedenken an Messiaens Mutter, von der die Texte stammen, ins Religiöse überführt.

Subtil: Ophelia-Lieder von Strauss

Unverständlicherweise schienen die beiden Namen neben Schubert, Duparc und Strauss zu reichen, um zu verhindern, dass der Brahmssaal voll wurde – zum großen Verlust der Ferngebliebenen. Denn mit ihrer, in allen Langen hellen Goldglanz verbreitenden, schlanken Stimme weiß Isokoski genau umzugehen und stellt jede Nuance in den Dienst des Ausdrucks. In „Du bist die Ruh'“ konnte sie die letzte große Steigerung mit weiträumiger Phrasierung nicht nur imposant anwachsen lassen, sondern am Schluss sogar noch mit kleinem Decrescendo abrunden, wie es ja auch die Dynamik der Klavierstimme nahelegt: eines von vielen Beispielen dafür, wie vokale Genauigkeit bei ihr direkt zu Expressivität führt.

Das galt auch für die nach Madetojas klanglicher Schwermut in zart-jugendlichem Ton vorgetragenen Lieder von Duparc, bei denen sie den finalen Zweifel von „Chanson triste“ ebenso klar über die Rampe brachte, wie sie in „Extase“ in duftenden Piano einen halb geträumten (Liebes-)Tod beschwor. Und in Straussens bewusst kapriziös-sperrigen, den nahenden Wahnsinn quecksilbrig, teils gar montagehaft andeutenden Ophelia-Liedern gelang ihr durch Aufhellung und minimale Verschärfung des Klangs die Darstellung des prekären Zustands subtil und doch unmissverständlich.

Nochmals heute, Mittwoch, 19.30 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2012)

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